Der Stellvertreter auf Erden

Die Figur, die schwarze Röhren-Jeans, der Stetson-Hut, die grünen Socken, die Mimik, die Zigarre. Und die Stimme! Das ist doch …Udo Lindenberg. Das denken die meisten, die seit nunmehr elf Jahren einen Auftritt von Arndt Rödiger alias Vize Udo live erleben. Aktuell probt der 51-jährige Eisenacher im Landestheater der Wartburgstadt für sein neues Musical „Willkommen im Hotel Imperial“, welches am 19. und 20. Februar 2019 Premiere feiert. TOP besuchte vorab Deutschlands bekanntestes und musikalisch bestes Udo-Lindeberg-Double in Eisenach.

Eine Hotellobby im hippen Berlin der 1930er Jahre. Die Damen tragen zur weiten Marlene-Hose kurze, vorn rundgeschnittene Jäckchen, die Herren modische Sakkoanzüge. Der Pianist spielt „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ von der großen Marlene Dietrich. Ein schlanker Mann betritt das Foyer. Storchenbeine, Herrenhut, Jackett mit Silberstreifen, Nietengürtel, Sonnenbrille, grüne Socken. Eine Zigarre in der Hand. Er geht zum Pianisten, flüstert ihm etwas zu und beginnt mit den ersten Takten zu singen. Die großen Hits der 20er und 30er Jahre. Bertolt Brecht, Kurt Tucholsky, Hanns Eisler … Nach einer Stunde verabschiedet sich der Sänger. Der Hotelchef Alfredo ruft ihm nach: „Herr Lindenberg, Sie können doch jetzt nicht einfach gehen.“ Er bleibt. Es folgt das ganz große Besteck mit der legendären Panik-Band, mit den größten Songs des wohl größten deutschen Rockstars aller Zeiten.

Das ist die Kurz-Geschichte des Musicals „Willkommen im Hotel Imperial“. So lautet der Titel einer Revue zu Ehren der großen Dichter und Denker und Herrn Lindenbergs, die am 19. und 20. Februar 2019 im Landestheater Eisenach ihre Premiere feiern wird.

Die Hauptrolle des Udo Lindenberg wird Arndt Rödiger, der auch die Idee zum Musical hatte, nicht nur spielen, sondern leben. Denn wenn der Eisenacher als „Vize Udo“ auf der Bühne steht, ist er Udo Lindenberg!

Und das jetzt schon im elften Jahr. Begonnen hat die Verwandlung 2007 bei einer Küchenparty bei Freunden. Zu später Stunde und nach reichlich Alkohol drängen sie den Lindenberg-Fan, der bis dahin lediglich ab und zu Songs seines Idols vor sich hin summte, dazu, zu den angestimmten Klavierklängen zu singen. „Hinterm Horizont geht’s weiter, ein neuer Tag …“ Für Arndt Rödiger beginnt ein neues Leben. Drei Wochen später spielt er in einer Mühlhäuser Gaststätte auf Wunsch einer guten Freundin zum 50. Geburtstag ihrer Tante, einer glühenden Lindenberg-Verehrerin, drei, vier Udo-Songs. Der Wirt des Lokals ist so begeistert, dass er Arndt Rödiger sofort für einen weiteren Auftritt verpflichtet. „So fing das mit Vize Udo ganz langsam an“, erinnert sich der 51-Jährige und zieht in der Raucherlounge des Hotels Haus Hainstein, vis-à-vis der Wartburg, genüsslich an seiner Zigarre. Es ist nicht nötig zu erwähnen, dass es dieselbe Marke ist, wie sie „der Alte“, wie er Udo Lindenberg liebevoll nennt, raucht. Wie übrigens auch das komplette Outfit aus der Schneiderei stammt, bei der der Panikrocker höchstselbst seine ausgefallenen Kleider kreieren lässt. Auch der Stetson-Hut und die Sonnenbrille, eine Sonderanfertigung, gleichen dem jeweiligen Original. Denn Arndt Rödiger möchte „so nah wie möglich an das Original herankommen. Wir wollen den Leuten die totale Illusion geben, dass die denken: Ey, das ist doch der Alte da vorne, unser Rockstar Nummer 1.“

Das muss auch Udo Lindenberg selbst gedacht haben, als er vor fünf Jahren in seiner Hamburger Hotelsuite das Video von der Aufführung seines Erfolgs-Musicals „Atlantic Affairs“ aus dem Eisenacher Landestheater gesehen hat. Mit Vize Udo am Mikrofon. Danach hat er mich umarmt und gesagt: Reiche das Feuer weiter“, erinnert sich der Eisenacher über die Freigabe für weitere Aufführungen. Der Meister war schlichtweg überrascht, dass sein Lehrling das so hochwertig hinbekommen hatte. Als Arndt Rödiger zuvor nach Hamburg fuhr, um seinen Mentor um Erlaubnis zu fragen, dessen Erfolgs-Musical aufführen zu dürfen, war dieser gar nicht begeistert. Schließlich kannte Udo Lindenberg ihn bis dahin nur als Fan. Und mit elf, zwölf hörte der Eisenacher lieber Queen. Doch als er zwei Jahre später, Anfang der 1980er Jahre, auf HR 3 in Werner Reinkes Nachmittags-Show „Pop und Rock nach der Schule“ erstmals bewusst Lindenberg-Songs lauschte, war es um ihn geschehen.

„Da ging der Wahnsinn mit Udo los. Mit den Texten konnte ich etwas anfangen, damit konnte ich mich identifizieren, das war auch mein Leben. Glaubwürdig, cool!“ Fortan schmuggelte die Oma von ihren Westbesuchen Lindenberg-Platten für den Enkel nach Eisenach.

Nach der Wende macht sich Arndt Rödiger auf und reist seinem Idol zu Konzerten hinterher. Immer erste Reihe. Nach einem Auftritt in Leipzig lugt Udo Lindenberg durch seine Sonnenbrille und sagt: „Ey du, sag mal, du warst doch schon das letzte Mal dabei.“ Bei einer Ausstellung in Finsterbergen nimmt der Eisenacher dann all seinen Mut zusammen und fragt das Original nach einem Autogramm, „selbstverständlich, Experte, setz dich und so“, antwortet dieser. Und als er seinen Edel-Fan beim nächsten Konzert wiedersieht, holt er ihn gar auf die Bühne: „Du bist ja schon wieder da, du bist ja der Oberexperte, sing du doch weiter!“ bist ja schon wieder da, du Und das macht Vize Udo, solo, mit Pianisten oder seinen Panikkomplizen so gut, dass er längst deutschlandweit als das musikalisch beste und bekannteste Udo-Double gilt. 50, 60 Lindenberg-Songs hat er drauf, aktuell mag er am liebsten „Einer muss den Job ja machen“, von den alten ist es „Lady Whiskey“. Bei 40 bis 50 Auftritten pro Jahr in ganz Deutschland schlüpft er in seine Lieblingsrolle. Im normalen Leben leitet Arndt Rödiger einen Handwerksbetrieb und steht als Maler auch selbst noch auf der Leiter, zum Ausgleich, wie er sagt. In Berlin spielte er vor Jahren beim Turn- und Sportfest im Olympiastadion vor 60.000 Menschen. „Das war ein geiles Gefühl, aber das Lampenfieber war auch nicht zu knapp – es war der einsamste Moment. Und Angela Merkel wusste gar nicht, was los war. Sehr coole Frau“, nuschelt Vize Udo im Udo-Slang. Aber auch die großen und kleinen Momente, bei der Kieler Woche, bei Stadtfesten, bei Geburtstags- und Firmenfeiern, bei Hochzeiten, bei Auftritten in Clubs und so weiter, mag er genauso. Sogar auf Beerdigungen spielt er, allerdings nicht am Grab. Aus Respekt.

Arndt Rödiger wird man niemals als Udo Lindenberg verkleidet auf einem Udo-Konzert antreffen. „ Ich mache auch keine Faschings- und Karnevalsauftritte, das Ganze soll nicht ins Lustige gehen“, erklärt er, während er die Mundwinkel verzieht, ganz wie der Alte. „Udo Lindenberg ist für mich der bedeutendste Künstler Deutschlands, von seinen Texten, seinen Ansichten, seiner Weitsicht. Er ist ein unglaublicher Mensch. Ich habe ihn ein bisschen kennengelernt. Wenn wir zum Beispiel in Hamburg auf der Reeperbahn einen Kaffee trinken oder zusammen ein Abendessen genießen. Diesem Menschen zuhören zu dürfen, das ist unglaublich. Wir wollen hoffen, dass er in den nächsten Jahren noch viele große Konzerte und großartige Songs bringen wird. Der junge Sänger wird kommendes Jahr 73. Unfassbar!“ Und er geht 2019 wieder auf Tournee, die schon jetzt fast ausverkauft ist. 28 Konzerte – was für ein Konditionstest!

Für Arndt Rödiger stehen derzeit Proben auf dem Programm. Und zwar für sein Musical „Willkommen im Hotel Imperial“ im Landestheater Eisenach. „Udo hat die Songs dieser großen Künstler wie Brecht, Eisler, Tucholsky und der Dietrich, die vor den Nazis geflohen sind, schon vor vielen Jahren wiederbelebt. „Jetzt wollen wir sie zusammen mit meinem Regisseur Frank Metzger, meiner Panik-Band, meinem Pianisten Nico Wieditz, zwei Musical-Darstellerinnen aus Berlin und mehreren Schauspielern wieder auf die Bühne bringen“, freut sich Vize Udo auf die zwei Shows in seiner Heimatstadt.

Ob Udo Lindenberg selbst vorbeischauen wird, steht noch nicht fest. Panik muss er jedenfalls keine haben, schließlich steht ja sein „Stellvertreter auf Erden“, wie er Arndt Rödiger nennt, auf der Bühne.

 

www.panikkomplizen.de

www.landestheater-eisenach.de

 

Text: Jens Hirsch

Fotos: Mario Hochhaus