Gelbe Schwefelschleier und alte Meister

Der 1968 in Erfurt geborene und heute in Leipzig lebende Maler Michael Triegel gehört zu den erfolgreichsten Künstlern der sogenannten Neuen Leipziger Schule. Anlässlich seines 50. Geburtstages richtet das Angermuseum Erfurt noch bis zum 17. Februar 2019 eine umfassende Werkschau in der Geburtsstadt des Künstlers aus. Mit über 70 Gemälden, zahlreichen Zeichnungen, Aquarellen und Druckgrafik wird die Bandbreite des künstlerischen Schaffens der letzten Jahrzehnte gezeigt. TOP traf Michael Triegel beim Pressegespräch.

Ein grauer Novembervormittag, nasskalt. Über der Stadt steigen die letzten Nebelschwaden auf. Michael Triegel sitzt in den Hallen, in denen er als Kind „eine andere Welt, eine andere Denkweise kennenlernte, als im Staatsbürgerkundeunterricht“. Das Angermuseum war der erste Ort, an dem der junge Erfurter Bilder der alten Meister sah. Heute, mehr als 40 Jahre später, hängen seine eigenen vielschichtigen Arbeiten an den Wänden. Längst zählt Michael Triegel neben Neo Rauch zu den wichtigsten Vertretern der Neuen Leipziger Schule.

Dennoch ist es für ihn „etwas ganz Besonderes, in Erfurt mein Schaffen aus den letzten 27 Jahren zeigen zu dürfen. Wenn ich daran denke, werde ich ganz sentimental“.

Er erinnere sich noch gut an das Erfurt aus Kindertagen. „Das Angermuseum und die Domfenster waren prägend für mich. Genau wie die grauen Fassaden und im Winter der gelbe Schwefelschleier über der Stadt“. Trotz des erdrückenden Einheitsgraus spürte er „diese Aufgehobenheit in so viel Geschichte“. Jedes Mal, wenn der Wahl-Leipziger für Familienbesuche über die Thüringische Landesgrenze fährt, spüre er dieses Heimatgefühl. 

Vielleicht blickt er deshalb auch jetzt, mit 50 Jahren in der Mitte seines Lebens, mit einer seiner bisher umfangreichsten Werkschauen weit zurück. Und zeigt den Besuchern und sich selbst, was seine Heimatstadt für einen Einfluss auf ihn und sein Schaffen hatte und noch hat. 75 Gemälde, 60 Zeichnungen, Aquarelle und Druckgrafiken – alle vom Künstler selbst ausgewählt – zeigen einen Querschnitt der letzten 27 Jahre. Einige der historischen Rahmen kommen nicht von ungefähr aus dem Nachlass von Werner Tübke, der einst über Michael Triegel sagte: “Das ist der Einzige, der noch richtig malen kann.“

Ihm sei wichtig gewesen, „nicht nur die großen Maschinen aufzufahren, die physisch und psychisch sehr anstrengend sind“, erklärt er seine Bildauswahl. 450 Gemälde hat er über die Jahre gemalt, seit er 1990 nach Leipzig zog und Malerei studierte an der dortigen renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst. Bis zu einem dreiviertel Jahr arbeitet er an einer „Maschine“. Dann sind Grafiken, Landschaftsbilder, Stillleben oder Porträts eine willkommene Abwechslung. „Ich arbeite in meinen Bildern Sachen ab, die mich beschäftigen. Sonst würde ich durchdrehen. Ich träume Bildideen und frage mich, was das mit mir zu tun hat. Ich kann nichts anderes malen, als dass, was ich sehe“, erklärt er. Er löse dabei das ein, was die Moderne einfordere, „den Tabubruch, aber auch die Abbildung des Schönen“. Aus 3000 Jahren europäischer Kunstgeschichte.

Der Titel der Erfurter Ausstellung „Discordia Concors“ – einige Uneinigkeit – deutet auf eine wesentliche Besonderheit der Bildsprache Michael Triegels: Zwischen christlicher Ikonographie, antiker Mythologie und eigenen Bilderfindungen wechselnd, sind seine Bilder tief in der Kunstgeschichte verankert und zugleich aktuell und zukunftsweisend. Triegel gewinnt aus den Mythen, Philosophemen, Dogmen und Legenden der großen Tradition schöpferische Anregungen und bezieht diese auf zeitgenössische Phänomene und gesellschaftliche Geschehnisse. Im Gewand eines altmeisterlichen Stils verdichten sich die Bildinhalte und knüpfen durch provokante ikonografische Brechungen an unsere Zeit an. Nicht selten steht die Verrätselung christlicher Motive im Fokus, die ihre Aufgabe in einer neuen, intellektuellen Herausforderung des Betrachtens sieht.

Internationale Bekanntheit erlangte Michael Triegel bereits 2010, als er vom Bistum Regensburg den Auftrag erhielt, Papst Benedikt XVI. zu porträtieren. Seitdem hat er den zweifelhaften Zweitnamen „der Papstmaler“ inne, den er nicht mehr hören könne. Obwohl Joseph Ratzinger ihn bei der Pressevorführung des Bildes in Rom „mein Raffael“ nannte. Kritischer sah die Darstellung des Heiligen Vaters unter anderem dessen Privatsekretär Georg Gänswein. Triegel hätte einen in sich zusammensackenden alten Mann mit offenen Mund und Altersflecken gemalt. „Ich habe die Person gemalt, nicht das Amt“, entgegnete der Künstler, der auch viel Zuspruch für sein realistisches Abbild des Pontifex erhielt. „Bei einem Auftragswerk muss ich die Chance haben, es ganz zu meinem Auftrag zu machen, sonst mache ich es nicht“. Er brauche für Porträts etwas in der Person, an dem er sich reiben könne.

Im Jahr 2014 erwarb der Förderverein Freunde des Angermuseums e.V. mit dem großformatigen Bild „Die Verwandlung der Götter“ eines der Hauptwerke Triegels für die Gemäldesammlung des Museums. Auch wenn die kirchlichen Themen in den letzten Jahren im Fokus seiner künstlerischen Arbeit standen, sind zu jeder Zeit auch Landschaften, Stillleben und Porträts entstanden, die sich durch ihre präzise Wiedergabe auszeichnen. Darunter von bekannten Persönlichkeiten wie Riccardo Chailly, bis 2015 Chefdirigent des Gewandhausorchesters Leipzig, oder Michael Blumenthal, bis 2014 Direktor des Jüdischen Museums Berlin und Ehrenbürger der Hauptstadt. Neben bekannten Persönlichkeiten ist auch das eigene Antlitz des Malers immer wieder Ausgangspunkt für Porträtdarstellungen, oder Vorlage verschiedener Protagonisten. In den Stillleben Triegels zeigt er mit alltäglich erscheinenden Fundstücken, arrangierten Blumen, aber auch Tierkadavern und Tierschädeln den Gegensatz zwischen dem Schönen und Vergänglichen. „Ich verstehe es als Versuch, sich im klassischen Sinne mit Schönheit, Heil und Werden zu beschäftigen, und zugleich, was in diesem Zusammenhang weniger üblich ist, das Vergängliche, Zerbrechliche, den Tod nicht zu vergessen.“

Schauen Sie es sich an, wie Michael Triegel collagenartig Themen und Sujets miteinander verknüpft, die nicht zusammengehören, die miteinander kollidieren und statt Antworten zu geben Fragen hinterlassen, Rätsel, deren Auflösung der Maler aber den mündigen Betrachtern überlässt. Grübeln Sie aber nicht zu viel, denn Michale Triegel macht das Malen „einfach Spaß“ und es ist bei ihm auch „nicht alles konzeptionell“.

 

TOP Service:

Michael Triegel. Discordia Concors

18.11.2018 bis 17.02.2019

Angermuseum Erfurt, Anger 18, 99084 Erfurt, Di-So 10-18 Uhr

www.kunstmuseen.erfurt.de

 

Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler und der Galerie Schwind.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein umfassender Katalog im Hirmer Verlag mit ca. 170 farbigen Abbildungen und Beiträgen von Matthias Bormuth, Horst Bredekamp, Joseph Haslinger und Kai-Uwe Schierz (Direktor der Kunstmuseen Erfurt).

 

Text: Jens Hirsch

Fotos: Paul-Philipp Braun