„Elvis hat auch deutsch gesungen“

40-jähriges Bühnenjubiläum, 40 Millionen verkaufte Tonträger, ausverkaufte Tourneen. Aber Peter Alexander Makkay, besser bekannt als Peter Maffay, ist viel mehr als der erfolgreichste deutschsprachige Musiker des Landes. Mindestens genauso wichtig wie die Musik ist dem 61-Jährigen, der am 24. Juni auf dem ausverkauften Erfurter Domplatz spielt, die karitative Arbeit für seine Kinder-Stiftung. Mit TOP sprach der gebürtige Rumäne über Adrenalin, ein Adoptivkind, veränderte Präferenzen und die Rocker-Rente.

Herr Maffay, ausverkaufte Konzerte zum 40-jährigen Bühnenjubiläum, das 14. Nr. 1 Album.

Das ist eine sehr komfortable Situation für uns.

 

Ihre Autobiografie heißt „Auf dem Weg zu mir“. Sind Sie denn angekommen?

Gott bewahre, wie langweilig wäre das. Dann gäbe es ja keine Reise mehr.

Grundsätzlich haben sich schon einige Umstände stabilisiert, z.B. dass wir im Vergleich ein sehr autarkes, selbst bestimmtes Leben haben. Uns spuckt niemand in die Suppe. Natürlich sind wir auch in einen ökonomischen Kreislauf eingebunden, aber unser heutiges Leben ist ein wunderschönes Privileg. Aber es gibt immer noch so viele Sachen, die mir noch genug Gründe für Tobsuchtsanfälle und graue Haare liefern.

 

Was hat sich in 40 Jahren auf der Bühne verändert?

Nicht viel. O.k., wir sind keine Schülerband mehr, die Bühne ist viel aufwendiger und es kommen mehr Menschen. Die Herausforderung ist komplexer und größer. Aber im Grunde machen wir den gleichen Zinower wie immer. Es hat sich erschreckend wenig verändert.

 

Sind Sie noch aufgeregt vor einem Auftritt?

Immer. Routine greift, wenn das Adrenalin steigt. Die Antwort auf das Adrenalin ist der Versuch, dem Ganzen mit Routine beizukommen. Also mit den Knien schlottern und sagen, man ist ganz cool.

 

Aber man ist nicht cool.

Genau, das ist auch gut so. Ich kenne niemanden, der diesem Reiz, dieser Anspannung nicht erliegt. Die Begegnung mit dem Publikum ist immer wieder aufs Neue spannend.

 

Sie haben Ihr aktuelles Album „Tattoos“ genannt. Was hat sich bei Ihnen eingebrannt?

Es gibt von den Hunderten von Liedern, die wir geschrieben haben, eine Handvoll, die wirklich eine richtig tiefe Bedeutung und einen starken Bezug zu einem selber haben. „Über sieben Brücken musst du gehen“ zum Beispiel ist ein unheimlich wichtiges Lied geworden. Diese Verbindung mit dem Fall der Mauer, die ersten Konzerte in der DDR, die Sprachlosigkeit, die man durch die ersten Auftritte überwinden konnte, all das formt ein Lied zu einem Schwerpunkt. Obwohl wir das Lied nicht selber geschrieben haben, obwohl uns eine solche Aussage nicht SELBST gelungen ist, wird es zu unserer Aussage. „Sieben Brücken“ ist für uns ein sehr wertvolles Adoptivkind geworden.

 

Wie kam es dazu, den Song von der DDR-Band Karat zu adoptieren?

Ich habe das Lied zum ersten Mal 1979 in Hamburg im Radio gehört und gedacht: „Wer zum Teufel macht so ein tolles Lied?“ Es gab in der Folge von uns immer wieder den Versuch, zu erörtern, was die Schreiber ostdeutscher Bands unterschied, zu der Machart der Westdeutschen.

 

Und haben Sie es herausgefunden?

Diese Mauer, das politische System hatte eine isolierende Wirkung. Die Sprache und die Musikalität haben sich entwickelt, ohne den gleichen Einflüssen ausgesetzt gewesen zu sein, wie wir in Westdeutschland. Wir haben z.B. angloamerikanische Einflüsse übernommen, dadurch ist einiges abgeflacht. In der DDR ist dagegen eine gewisse Ausdruckstiefe erhalten geblieben. Die kompositorische Konsistenz der DDR-Songs war eine andere. Dieses Lied „Sieben Brücken“ ist für mich, bitte nicht missverstehen, ein urdeutsches Lied. Ich bin kein Deutschtümler aber es gibt eine Qualität, die sich durch unsere Kultur, unsere großen Dichter, Komponisten und Schreiber begründet. Diese Qualität habe ich in „Sieben Brücken“ gesehen. Deshalb wollten wir es covern.

 

Zuvor mussten Sie aber noch Karat überzeugen?

Ja, wir haben uns bei einem Konzert in Wiesbaden getroffen, gesprochen und wir bekamen das O.K. 1980 wurde das Lied in Westdeutschland veröffentlicht und ich denke, dass viele Westdeutsche so empfunden haben wie wir, als wir das Lied von Karat gehört hatten. Es wurde ein Hit auf beiden Seiten und wir haben es auch zusammengespielt. Auf unseren ersten Konzerten im Osten war „Sieben Brücken“ unsere Eintrittskarte und heute gehen wir nicht von der Bühne, ohne es zu spielen.

 

Wurden seitens der DDR-Regierung Bedingungen gestellt, um das Lied zu covern?

Red.: Peter Maffay hebt beide Fäuste, aus denen sich dann der jeweilige Mittelfinger erhebt:

Das wäre meine Antwort gewesen.

Wir hätten keine Einmischung akzeptiert, dann hätten wir es gelassen.

Stichwort Einmischung. Wann wurden Sie zum politischen Rocksänger?

Die Zeit der Aufrüstung der 80er Jahr war eine ganz wichtige Phase für meine Positionierung. Bis dahin suchte man seinen Weg, ich habe ja auch eine Metamorphose vom Schlagersänger zum Rocksänger hinter mir.

Diese Hirnrissigkeit der Menschen, Vernichtungswaffen herzustellen, hat uns genau so viel Angst gemacht wie Millionen anderen auch. Daraus ist z.B. das Lied „Eiszeit“ entstanden, das leider immer noch relevant ist. Wir haben zwar nicht mehr den Konflikt zwischen den großen Blöcken aber es gibt noch jede Menge schmutziger Bomben.

 

Kennen Sie den Satz: „Man kann nicht von einer besseren Welt singen, aber nichts dafür tun“? Er ist von Ihnen.

Das soll ich gesagt haben? Ich lasse das mittlerweile auch so stehen, weil es inhaltlich stimmt.

 

Sie leben es auch vor, z.B. mit Ihrer Kinderstiftung, mit denen Sie seit zehn Jahren benachteiligten und traumatisierten Kindern und Jugendlichen helfen.

Wir hatten letztes Jahr bei uns in der Stiftung in Spanien mehr als 500 Kinder. So viele wie noch nie. In Bayern haben wir im vergangenen Herbst eine Jugendherberge übernommen und saniert. In diesem Jahr werden wir in Rumänien ein ähnliches Projekt eröffnen. Die Stiftungen sind mittlerweile im weitesten Sinne zu meiner Hauptbeschäftigung geworden, die Musik kommt danach – außer natürlich, wenn ich auf Tour bin.

 

Sie nutzen Ihre Prominenz gezielt als Türöffner, um für Ihre karitativen Projekte zu werben. Haben Sie keine Angst, dass Politiker Sie für ihre Zwecke benutzten könnten?

So etwas kann schon mal passieren. Wenn ich das erkenne, ziehe ich mich zurück. Andererseits gibt es Millionen Deutsche, die sich ehrenamtlich engagieren. Ohne diese Energie ist unsere Gesellschaft in der jetzigen Form gar nicht mehr möglich. Und wenn ich mich dabei als sogenannte Galionsfigur einbringen kann, tut mir das nicht weh. Ich bin gern einer von denen, wenn die Kinder davon profitieren. Dafür verkaufe ich mich auch ein bisschen und habe dabei keine Hemmungen.

 

Schließt sich mit dem neuen Projekt in Ihrer Heimat Rumänien für Sie ein Kreis?

Absolut. Von dort bin ich als Kind weggegangen und kehre jetzt zurück. Ich werde dort nicht leben, aber ich bekenne mich zu meiner Vergangenheit. Dort ist ein extremer Bedarf vorhanden, wenn der nicht gestillt wird, schlägt er komplett durch auf unsere Gesellschaft im Westen. Man sieht das am Beispiel Frankreichs mit den zunehmenden Unruhen unter den unzufriedenen Jugendlichen mit Emigrationshintergrund. Wenn wir auf diesem Gebiet nicht tätig werden, dann nehmen diese Probleme weiter zu. Man kann sie nicht einfach in Züge verfrachten und zurück in ihre Heimat schicken. Sie drehen spätestens zu Hause wieder um.

 

In Rumänien gelten Sie bereits als Heilsbringer.

Ich wusste nicht, dass so viele Siebenbürger all die Jahre verfolgt haben, was ich gemacht habe. Für die bin ich so etwas wie der heimgekehrte Sohn, an den sich einige Hoffnungen heften. Im karitativen Bereich werde ich dort tätig werden, ohne zu überziehen. Ich jage nicht nach Auszeichnungen oder irgendwelchen Ämtern.

 

In der Musik müssen Sie nach gar nichts mehr jagen. Sie sind der erfolgreichste Rockmusiker im deutschsprachigen Raum.

Nein, nein …

 

… doch, Sie haben die meisten Alben verkauft.

Sehr vieles was geschrieben wird stimmt nicht. Ich kenne diese Schlagwörter.

 

„Tattoos“ ist das 14. Nr. 1 Album, Rekord für einen deutschsprachigen Künstler.

Ja, aber erdgeschichtlich betrachtet … und Elvis hat deutlich mehr Platten verkauft.

 

Es geht um deutschsprachige Musiker.

Elvis hat auch deutsch gesungen. „Muss ich denn, muss ich denn zum Städtele hinaus …“

 

Herr Maffay, in Deutschland möchte man die Rente mit 67 einführen. Wie lange sehen wir Sie noch auf der Bühne?

Im Rock and Roll gibt es das Wort Rente nicht. Das Einzige was zählt ist das Handwerk, nicht das Alter.

 

Also dürfen wir uns auf Ihr Live-Konzert am 24. Juni auf dem Erfurter Domplatz freuen?

Natürlich, ich kenne den Domplatz mit dem Domberg, ich bin sogar schon drüber gelaufen. Und Konzerte in Erfurt sind immer etwas ganz Besonderes. Auf unserer vorletzten Tour musste ich in Erfurt ein Konzert absagen, das Zweite in 40 Jahren. Wir haben gerade Soundcheck gemacht und die Leute standen schon vor der Halle, aber mein Hals konnte nicht mehr. Das Konzert haben wir dann zehn Tage später nachgeholt. Daran muss ich immer denken, wenn wir nach Erfurt kommen.

 

Herr Maffay, vielen Dank für das Gespräch und wir wünschen für das Konzert auf dem Domplatz viel Spaß und einen gesunden Hals.

 

Fotos: Marcel Krummrich