Padberg statt Bratwurst
Wartburg, Liszt, Goethe, Solarenergie, Rennsteig, Eva Padberg, Carl Zeiss, Luther, Automobilbranche … die stärkste Wirtschaft der neuen Bundesländer. Das alles ist Thüringen. Aber leider wissen das in Deutschland nur die wenigsten.
Um das zu ändern, startete der Freistaat Thüringen im August deutschlandweit die neue Image-Kampagne „Das ist Thüringen.“ TOP sprach in Weimar mit Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig und Detmar Karpinski, der mit seiner Hamburger Werbeagentur KNSK die Kampagne medial in Szene setzt.
Herr Machnig, im Rahmen der neuen Werbekampagne konnten die Thüringer im Internet ihre Heimat beschreiben. Was hätten Sie eingetragen?
Thüringen ist für mich eine ganz bestimmte Form von Lebensqualität, ein bestimmtes Lebensgefühl, das ich als sehr angenehm empfinde. Es gibt aber auch ein paar Dinge, bei denen wir besser werden können.
Zum Beispiel?
Matthias Machnig: Wir müssen lernen, was Service ist. Wenn ich in eine gastronomische Einrichtung gehe, habe ich manchmal das Gefühl, dass ich mich noch bedanken muss, dass ich überhaupt gekommen bin. Wenn wir nicht erkennen, dass eine hohe Service-Qualität für den touristischen Bereich von zentraler Bedeutung ist, dann werden wir uns als Tourismusstandort in Zukunft schwer tun.
Und als Wirtschaftsstandort ist für uns entscheidend, dass es nicht nur gute harte Standortfaktoren gibt, sondern auch weiche, die bedeutsam sind. Zum Beispiel eine gute Kindergartenbetreuung, eine gute schulische Betreuung. Das gehört auch zu einem guten Lebensgefühl.
Und deshalb braucht der Freistaat eine neue Werbekampagne?
Wir brauchen sie hauptsächlich, weil viele Menschen in Deutschland, und zum Teil auch die Thüringer selbst, viel zu wenig über das Land wissen. Und das ist natürlich in einem Standortwettbewerb, in dem wir uns als Wirtschafts- und Tourismusstandort bewegen, unbefriedigend. Im Prinzip ist das auch ein Wachstumshemmnis. Deshalb glaube ich, dass wir uns als Freistaat anders aufstellen müssen. Wir müssen klar machen, was Thüringen eigentlich ist, was das Besondere ist.
Nämlich?
Das Spannungsfeld von Tradition und Moderne. Das wollen wir auch mit der Kampagne transportieren. Dabei ist mir besonders wichtig, dass sich der Standort- und der Tourismusbereich wechselseitig verstärken, damit beide Elemente auch entsprechend widergespiegelt werden.
Herr Karpinski, was wussten Sie über Thüringen, bevor Sie sich um den Vermarktungsauftrag bemühten?
Ganz offen gestanden wusste ich, außer das Erfurt und Weimar in Thüringen liegen, nicht viel. Je mehr wir dann recherchiert haben, desto mehr haben wir gestaunt, was für tolle Sachen in Thüringen zu finden sind. Mal abgesehen davon, dass wir überrascht waren, dass Thüringen wirtschaftlich die Nummer Eins unter den neuen Bundesländern ist. Leider wissen das eben nur die wenigsten.
Im Vorfeld der Kampagne haben wir eine umfangreiche Marktforschung gemacht. Dabei sind erschreckende Werte herausgekommen.
Können Sie uns einige verraten?
Detmar Karpinski: Der Thüringer Wald und die Thüringer Bratwurst sind das Bekannteste, was allerdings bei dem Namen nicht sonderlich überrascht. Dass Weimar in Thüringen liegt, wussten allerdings von 1.500 repräsentativ befragten Menschen in Ost und West nur acht Prozent!
Kann man als erfahrener und vielfach ausgezeichneter Marketer ein Bundesland genauso bewerben wie jedes andere Produkt?
Nein, ich glaube, es ist leichter, Thüringen zu vermarkten. In unserer Branche haben wir doch größtenteils nur noch austauschbare Produkte. Ein Bier oder eine Zigarette können Sie im ersten Moment nicht von Konkurrenzprodukten unterscheiden. Thüringen hat aber so unglaublich viel Substanz, die muss man nur anheben. Das ist ein Geschenk für einen Werber.
Was machen Sie mit dem Geschenk, was steht bei der Kampagne im Vordergrund?
Wir wollen die Lücke zwischen der Realität und dem schlechten Image schließen, indem wir die Leistungen und Qualitäten, die Thüringen hat, endlich bekannt machen. In der Vergangenheit wurde in Thüringen viel Gutes getan, aber keiner hat darüber geredet. Stattdessen wurde mit einer Bratwurst telefoniert.
Sie meinen die viel kritisierte Vorgänger-Kampagne?
Matthias Machnig: Herr Karpinski spielt auf die Denkfabrik-Kampagne an, bei der auf Plakaten Menschen eine Bratwurst als Telefonhörer in der Hand hielten. Das transportierte natürlich hervorragend alle Vorurteile, die es über Thüringen gibt. Und das als offizielle Werbung für das Land. Nach neun Jahren „Denkfabrik“
konnten lediglich neun Prozent der Befragten die Denkfabrik mit Thüringen verbinden, 17 Prozent haben das für eine Kampagne von Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg gehalten. Sogar Sachsen lag noch vor uns. Da muss man nüchtern sagen, die Denkfabrik hat nicht funktioniert.
Warum wird jetzt alles besser?
Matthias Machnig: Weil wir transportieren werden, dass Thüringen anders ist als man denkt. Dabei wollen wir ungewöhnlich sein. Ungewöhnlich in den Instrumenten, der Ästhetik und den Motiven, damit über das Land geredet wird. Ich glaube man kann mit Fug und Recht sagen, dass das der Werbeagentur exzellent gelungen ist.
Es gab aber auch Kritik, dass ausgerechnet eine Hamburger Agentur Thüringen in Szene setzt?
Matthias Machnig: Wir haben eine europaweite Ausschreibung gemacht und KNSK hat innerhalb kürzester Zeit verstanden, um was es uns geht. Dabei war es auch durchaus hilfreich, einen ungefilterten Blick von außen auf die Situation zu haben. Das hat der Kampagne aus kreativen und ästhetischen Gesichtspunkten sehr gut getan.
Detmar Karpinski: Das mit dem ungefilterten Blick von außen gilt übrigens für jeden Kunden, das ist ja einer der wesentlichen Gründe dafür, dass es Werbeagenturen überhaupt gibt. Um eben die vorhandenen Scheuklappen zu lösen und die subjektive Sicht von außen zu reflektieren.
Wie ungewöhnlich wird sich Thüringen denn präsentieren?
Matthias Machnig: Wir werden Thüringen zum Beispiel in der besten deutschen Werbeminute, nämlich direkt vor der Tagesschau präsentieren, wir werden Anzeigen in den Multiplikatorenmedien wie der Süddeutschen Zeitung, der FAZ und weiteren Wirtschaftsblättern schalten. Dazu werden wir die Motive in regionalen Medien und auf Plakatflächen in Thüringen zeigen.
Das machen andere auch.
Matthias Machnig: Wir werden aber vor allem Motive zeigen, von denen man gar nicht glaubt, dass sie zu Thüringen gehören. Zu Beginn des TV-Spots sieht man zum Beispiel die Brooklyn-Bridge in New York. Da fragt sich jeder, was Thüringen mit diesem New Yorker Wahrzeichen zu tun hat. Die Antwort ist leicht, der Architekt der Brücke ist ein Thüringer. Oder wir zeigen die A-380-Triebwerke der Lufthansa, die in Thüringen gewartet werden. Wir zeigen, was auch die wenigsten wissen, dass Eva Padberg aus Thüringen kommt. Wir zeigen, dass der Sportwagen mit der schnellsten Runde auf dem Nürburgring in Thüringen gebaut wird. Und, und, und. Wir zeigen etwas, was in der Regel noch nicht einmal die Thüringer wissen, und wenn die es noch nicht einmal wissen, wie sollen es dann die Menschen von außerhalb wissen.
Beziehen Sie deshalb auch die Thüringer aktiv mit in die Kampagne mit ein?
Detmar Karpinski: Genau, das ist uns ganz wichtig. Natürlich richtet sich die Kampagne zuerst an Menschen außerhalb von Thüringen, aber sie kann nur funktionieren, wenn sie die Thüringer mittragen, mitleben. Sie sind die besten Repräsentanten ihres Landes. Vor dem Hintergrund haben wir die Mikrosite www.was-ist-thueringen.de geschaltet. Hier war jeder Thüringer aufgerufen, ein Bild plus einem kurzen Text über „sein“ Thüringen hochzuladen.
Werden denn dort nur die positiven Meinungen zu lesen sein?
Detmar Karpinski: Nein, wir filtern nur Naziparolen und Unanständiges heraus.
Matthias Machnig: Was wir suchen, sind persönliche Highlights von Thüringern aus Thüringern. Wenn dafür kreative Ideen kommen, werden wir diese auch im Rahmen der Kampagne einsetzen.
Wie lange läuft die Kampagne, die zunächst mit einem Etat von zwei Millionen Euro startet?
Matthias Machnig: Solange wir Geld haben (lacht). Wir werden dieses und nächstes Jahr jeweils zwei Millionen Euro dafür ausgeben. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass das ein mehrjähriges Projekt ist. Die Vorstellung, mit einer kurzfristigen Kampagne das Ranking Thüringens zu verbessern, ist falsch. Wir müssen auf Kontinuität setzen und die Kampagne weiterentwickeln.
Detmar Karpinski: Lucky Strike gibt zum Beispiel 60 Millionen Euro für Werbung pro Jahr aus, die Kampagne läuft seit zwanzig Jahren. Media Markt investiert ca. 300 Millionen Euro, Baden-Württemberg wirbt erfolgreich seit vierzehn Jahren. Und wenn Thüringen dann, im medialen Verhältnis gesehen, wenig Geld zur Verfügung hat, ist Kontinuität eben besonders wichtig.
Herr Karpinski, Sie waren jetzt schon öfter in Thüringen, haben Sie schon einen Lieblingsplatz?
Das ist ganz eindeutig Weimar. Ich war ca. 25 Mal hier, im Sommer herrscht hier ein fast mediterranes Lebensgefühl. Der Servicegedanke ist allerdings in der Tat verbesserungswürdig. Ich weiß das, weil ich im Hotel wohne.
Matthias Machnig: Viele, die es betrifft, möchten das aber nicht hören, sie glauben, dass Thüringen ein hohes Serviceniveau hat. Das stimmt für manche, aber eben bei Weitem nicht für alle. 60 bis 70 Prozent der Menschen, die in Thüringen waren, sagen, dass das Preisleistungsverhältnis nicht stimmt. Gerade einmal zweieinhalb von zehn würden Thüringen als Urlaubsland weiterempfehlen, siebeneinhalb sagen Nein. Spitzendestinationen haben dagegen eine Weiterempfehlungsquote von 80 bis 90 Prozent. Das soll heißen, wer seinen Gästen für ihr Geld keine adäquate Leistung bietet, sägt auf dem Ast, auf dem er selber sitzt.
Ich habe darauf auf dem Tourismustag Anfang Juli explizit hingewiesen. Die Hauptbotschaft war: Qualität, Qualität, Qualität. Wir haben auch eine Landestourismuskonzeption erarbeitet, die genau dort ansetzt.
Im Bereich der Wirtschaftsförderung ist uns das ja bereits gelungen, wir kriegen viele Investoren nach Thüringen, weil die sagen, dass das Zusammenspiel von Wirtschaftsministerium, der Landesentwicklungsgesellschaft und der kommunalen Seite besser als in jedem anderen Bundesland ist. Hier haben wir den Service- und Dienstleistungsgedanken bereits voll etabliert. Das muss in anderen Bereichen auch möglich sein.
Herr Machnig, Herr Karpinski, vielen Dank für das Gespräch.
TOP Service:
www.das-ist-thueringen.de
Fotos: Axel Clemens