Lange nicht gesehen

Rund 15 Jahre nach einer Mitfahrt im Bob von André Lange, hat Opel Post-Redakteur Jens Hirsch als Beifahrer neben dem vierfachen Olympiasieger Platz genommen – dieses Mal in einem Opel Commodore B GS/E.
Bei der 24. ADAC Oldtimerfahrt Hessen-Thüringen rund um Weimar ging es allerdings weniger um Schnelligkeit.

Etwas mulmig war mir schon zumute, als ich erfuhr, dass ich auf der ersten Etappe der 24. ADAC Oldtimerfahrt Hessen-Thüringen rund um Weimar der Beifahrer von André Lange sein werde. Das war ich nämlich schon einmal, vor ungefähr 15 Jahren. Und zwar im Schlitten des erfolgreichsten Bob-Piloten aller Zeiten. Ich werde diese 60 Sekunden, gefühlt waren es Stunden, nie vergessen. Wie mein Körper während der Fahrt auf der Oberhofer Rodel- und Bobbahn im Vierer-Gäste-Schlitten hin und her geschleudert wurde, wie eine Boje im Sturm, unsanft gebremst von den stählernen Seitenwänden. Meinen Kopf konnte ich nicht gerade, geschweige denn oben halten, der Druck war einfach zu groß. Ich wollte einfach nur, dass es aufhört. Und jetzt war ich also wieder Beifahrer bei André Lange. Dieses Mal allerdings in einem Auto, einem ganz besonderen: einem Opel Commodore B GS/E, Baujahr 1972, mit 190 PS und 2.748 ccm Hubraum! In seiner Glanzzeit wurde der gelbe Flitzer von keinem Geringeren gefahren als von Rallye-Legende Walter Röhrl.

Während wir nun gemächlich vom Vorstart im Hotel Leonardo zum heißen Start um 9.44 Uhr auf dem Weimarer Platz der Demokratie rollen, frage ich den Ex-Bobpiloten, wie schnell wir denn eigentlich damals im Gästebob unterwegs waren. „Das war doch im Sommer und wir sind vom Juniorenstart aus losgefahren“, erinnert er sich grinsend. Ja, sage ich. „Dann war das nicht schneller als 60, 70 km/h.“ Und was war seine Wettkampf-Spitzengeschwindigkeit? „151 km/h“, so die trockene Antwort. Das war 2010 im Zweierbob bei der olympischen Goldfahrt in Vancouver. 151 km/h in einem schmalen Metallungetüm, wie schnell wird er dann erst in einem 190 PS-Rennwagen fahren? Schnell beruhigt mich der vierfache Olympiasieger und achtfache Weltmeister, der seit 2000 Opel-Markenbotschafter ist und von seinem neuen Insignia Sports Tourer schwärmt. „Heute geht es nur um den Spaß“, sagt er lächelnd und schaltet in den zweiten Gang. Die 190 Pferde starke Beschleunigung des Commodore presst mich kurz in den Sportsitz.

Wir fahren hinaus aus der Klassikerstadt, Richtung Nohra zur ersten GLP. Das heißt Gleichmäßigkeitsprüfung, bei der man eine gewisse Strecke in einer vorgegebenen Zeit bewältigen muss. 85 Meter in 16 Sekunden. Aha. Lange tippt etwas in den Handyrechner und sagt: 19 km/h müssen wir fahren. Aha. Ich staune. Mathematik ist für mich ein Rätsel. Oder ist es Physik? Wir fahren weiter durch kleine, schicke Ortschaften wie Obergrunstedt, Klettbach, Egstedt und Kirchheim, dem Wohnort von André Lange. Es geht weiter an den Drei Gleichen – einem mittelalterlichen Burgenensemble – vorbei durch die älteste Gemeinde Thüringens, Mühlberg. In Wechmar ist Pause, standesgemäß rollen wir durch die Lange-Straße zum Bach-Stammsaal. Nach Kaffee und Kuchen steht in Günthersleben die nächste GLP auf dem Programm. 750 Meter in 99 Sekunden. Kein Problem. Wir nähern uns dem Thüringer Wald. Hier kennt sich der gebürtige Ilmenauer André Lange bestens aus. Man merkt es am Fahrstil, der merklich rasanter wird. „Zu schnell gibt es für uns Bobfahrer nicht, wir können den Schlitten nur falsch in eine Kurve einlenken“, erklärt der 44-Jährige, während wir quietschend durch eine selbige fahren. „Autofahrer müssen noch kuppeln, schalten, bremsen und Gas geben. Im Bob kannst du nicht bremsen!“ Soweit zu den Unterschieden zwischen Autorenn- und Bobfahrern. „Die Ideallinie ist dagegen vergleichbar. Und der Rausch an der Geschwindigkeit …“ Wir werden schneller. Zum Glück haben wir just in diesem Moment das erste Etappenziel erreicht, nach 67,7 Kilometern. Mittagspause im Heuberghaus kurz hinter Friedrichroda. Ich weiß nicht so recht, ob ich froh bin, dass es vorbei ist, oder ob ich mich ärgern soll, dass hier meine Oldtimerfahrt endet.

Für André Lange und die weiteren 131 Starter geht es am Nachmittag in ihren Oldtimern, der älteste ist ein Opel 8 mit 25 PS und 2.332 ccm Hubraum aus dem Jahr 1920, wieder zurück nach Weimar. Am nächsten Tag endete die Rallye mit der Etappe über die Thüringer Porzellanstraße.

 

Text: Jens Hirsch

Fotos: Marcel Krummrich