„Wir müssen uns nicht verstecken“
Die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH (LEG) feiert in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag. Gegründet am 15. Mai 1992, betreibt die LEG seit vielen Jahren Stadtentwicklung, Immobilien- und Regionalmanagement, Wirtschaftsförderung und Marketing für Thüringen. Sie forciert den Technologie- und Innovationstransfer, unterstützt die Fachkräftegewinnung für die heimische Wirtschaft und siedelt Investoren im Freistaat an.
TOP sprach aus diesem Anlass mit dem LEG-Geschäftsführer Andreas Krey über Beratung auf Augenhöhe, Thüringer Visionen und die tägliche Motivationstour.
Herr Krey, die LEG feiert ihr 20-jähriges Bestehen, Sie waren fast von Anfang an dabei.
Ja, ich bin 1993 zur LEG gekommen, zuvor habe ich im Innenministerium in dem Referat gearbeitet, das unter anderem für den Abzug der russischen Truppen und den Aufbau der LEG zuständig war. Ich war also schon bei der Grundgestaltung der LEG in Thüringen mit dabei. Wir haben damals mit unvoreingenommenem Blick die Weichen gestellt, auch wenn wir natürlich anfangs nicht alle Probleme, die entstehen konnten, zu erkennen vermochten. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Abteilungsleiter in der LEG wurde ich 2004 Geschäftsführer.
Was sind Ihre Hauptaufgaben als Geschäftsführer?
Mein Geschäftsbereich ist die Wirtschaftsförderung. Dies umfasst unter anderem die Gewinnung von Investoren aus dem In- und Ausland sowie die Entwicklung und Vermarktung von Industrie- und Gewerbestandorten.
Die LEG ist ein Modell, das nach dem 1. Weltkrieg in Westdeutschland aus der Wohnungsnot heraus entstanden ist. Wie haben Sie das Modell weiterentwickelt?
Viele LEGen gibt es ja nicht mehr, einige sind verkauft worden. Andere Bundesländer haben alle vier Jahre eine neue Gesellschaft gehabt, damit hingen immer wieder Umbrüche zusammen, die wir nicht hatten. Dadurch konnten wir kontinuierlich weiter arbeiten, Lösungen für Strukturprobleme entwickeln und weitere Zukunftsaufgaben übernehmen, zum Beispiel Außenwirtschaftsaktivitäten, Regionalmanagement oder Fachkräftegewinnung.
Wie wichtig war 1995 die Fusion der LEG mit der Landes-Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (TLW)?
Das war ein wesentlicher Ansatz. Wenn Sie Wirtschaftsförderung als reine Beratungsleistung erbringen, ist sie nicht wirklich konkurrenzfähig. Also haben wir den Ansiedlungsservice mit der Flächen- und Standortentwicklung zusammengebracht. Seitdem verkaufen wir Grundstücke, bauen Mietfabriken, betreiben integrierte Standortentwicklung. Und was das Wichtigste ist, wir sind auf Augenhöhe mit den Unternehmern.
Für Thüringen passt dieses Modell ideal, wir sind größtenteils ein Flächenland, viele kleine Kommunen sind mit den komplexen Aufgaben der Standortvermarktung überfordert. Wir entlasten sie und nehmen ihnen zum Beispiel durch Ankäufe und Vermarktung von Industrieflächen auch die finanzielle Belastung.
Thüringen ist zum dritten Mal in Folge zum besten Wirtschaftsstandort Deutschlands gekürt worden. Die LEG muss einiges richtig gemacht haben?
Wir haben ab 1994 stark in den Ausbau des Industrie- und Investitionsstandortes Thüringen investiert, haben neu angesiedelt und dabei auch industrielle Kerne erhalten. Später haben wir die Großflächeninitiative, zum Beispiel mit dem Erfurter Kreuz, gestartet. Es ist uns gelungen, alle russischen Liegenschaften erfolgreich zu entwickeln; wir haben den Bereich Thüringen International etabliert, durch Stadtentwicklung die Kerne aufgewertet, regionale Kooperation gefördert, attraktives Wohnbauland für die Thüringer Familien geschaffen …
Aber steht Thüringen im Wirtschaftsstandortranking nicht nur deshalb an der Spitze, weil Thüringen Billiglohnland ist?
In dem Feld muss sich natürlich etwas verändern. Hier erwarte ich Verbesserungen, auch aufgrund der fehlenden Arbeitskräfte. Die Unternehmen müssen erkennen: Wenn wir stabil im Wachstum sind und gute Löhne zahlen, haben wir auch die Chance, Thüringer Arbeitskräfte zurückzugewinnen. Wir müssen aber über den Lohn hinaus attraktive Angebote unterbreiten.
Gilt für viele Fachkräfte der Osten nicht immer noch als No-Go-Area?
Natürlich haben wir an manchen Stellen noch immer ein gewisses Imageproblem. Wir können dem aber mittlerweile selbstbewusst entgegentreten. Wir sind zwar kein Mercedes, aber ein sportlicher Golf, der bisweilen noch unterschätzt wird. Die Aussichten sind gut: Erfurt bekommt den ICE, Weimar als Kultur- und Jena als Industriestadt werden auch immer attraktiver. Wir müssen uns nicht verstecken.
Neue Herausforderungen stehen auch schon vor der Tür: Energiewende, demografischer Wandel.
Thüringen muss in Zukunft ein Land sein, das seinen Strombedarf selbst decken kann. Dazu erarbeitet unsere hauseigene Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur (ThEGA), die vom Wirtschaftsministerium eingesetzt wurde, neue Konzepte. Diese betreffen zum Beispiel Fotovoltaikanlagen entlang der Autobahnen oder die Gewinnung von Erdwärme an geeigneten Standorten. Wichtig ist auch die Speicherung von Energie, wie sie in Pumpspeicherkraftwerken geschieht. Deutschlandweit halten solche Werke 7 bis 8 Gigawatt an Energie vor, auf Thüringen entfallen davon 1,3 Gigawatt. Das müssen wir ausbauen.
Welche Herausforderungen stellt der Fachkräftemangel?
Demografisch betrachtet haben wir in den kommenden Jahren tatsächlich immer weniger Arbeitskräfte zur Verfügung, aber die Industrie gestaltet sich auch um. Wenn wir in einigen Jahrzehnten eine deutlich höhere Elektromobilitätsrate haben, dann brauchen wir zum Beispiel in der Automobilindustrie nicht mehr so viele Arbeitskräfte, weil das Auto aus weniger Teilen besteht. Indem wir künftig den Strukturwandel intelligent gestalten, bringen wir den Technologiestandort Thüringen voran. Und über unsere Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) unterstützen wir die heimische Wirtschaft bei der Rekrutierung von klugen Köpfen.
Der Markt und die Gesellschaft befinden sich im ständigen Wandel. Wo sehen Sie die LEG in 20 Jahren?
Es ist richtig, die Veränderungsprozesse werden immer dynamischer – in allen Feldern, ob das Mobilität ist, Medizin, der demografische Wandel oder die Infrastruktur. Letztendlich besteht das Ziel darin, dass wir alle ein erfülltes, gutes und bezahlbares Leben haben. Dazu wird die LEG auch künftig einen Beitrag leisten. Wir sind der Entwicklungs- und Umsetzungsmotor für genau diese Dinge, wir entwickeln aber auch weiterhin Konzepte für Zukunftslösungen. Hier geht es um vielfältige Fragen – wie wir erreichen, dass unsere Firmen im zunehmenden Wettbewerb global erfolgreich bleiben, auf welchem Wege Thüringer Unternehmer und Forscher durch Kooperationen neue Produkte entwickeln, wie wir mit neuen, intelligenten Stadtkonzepten die Menschen für unser Land gewinnen. Wenn wir Thüringer eins anderen voraushaben, dann ist es die Fähigkeit, Wandel und neue Herausforderungen kreativ und mutig zu bewältigen. Das haben wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer wieder bewiesen – das treibt uns auch bei der LEG an und ist eine Grundlage unseres Erfolges – auch in Zukunft!
Was macht Andreas Krey in seiner Freizeit?
Wandern, Rad fahren, Joggen, Golf, mit der Familie unterwegs sein.
Hat der Thüringer in Thüringen einen Lieblingsplatz?
Ja, wenn ich jeden Tag über den Riechheimer Berg zur Arbeit fahre, dann kann ich aus dem Tal kommend über Mittelthüringen blicken – Arnstädter Pforte, die Burgen, das weite Land und die Silhouette liebenswerter Städte – das steht für mich sinnbildlich für ganz Thüringen. Das ist meine tägliche Motivationstour, dafür lohnt es sich, zu arbeiten und zu leben.
Herr Krey, vielen Dank für das Gespräch.
TOP Service:
Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen mbH (LEG Thüringen)
Gründung: 15.05.1992
Geschäftsführung:
Andreas Krey
Frank Krätzschmar
Gesellschafter:
Freistaat Thüringen: 100%
Mitarbeiterzahl (Stand: 08/2012):
241 Mitarbeiter
6 Auszubildende
Erfolge:
- Ansiedlungserfolge der LEG – realisierte Projekte im Zeitraum 1995 bis 2011: Es wurden fast 900 Firmen bei Neuansiedlungen und/oder Erweiterungen erfolgreich begleitet, dadurch rund 46.000 Arbeitsplätze neu geschaffen und rund 8 Mrd. Euro in Thüringen investiert.
- Auf über 100 LEG-Industrieflächen und früheren Militärarealen investierte die LEG insgesamt über eine Milliarde Euro, unter anderem siedelten sich auf den Flächen 116 Unternehmen an, die rund 417 Millionen Euro investierten und bisher 1.700 Arbeitsplätze schufen
- rund 1.370 Wohneinheiten errichtet
- Wohnbauland an 92 Standorten erschlossen, rund 95 Hektar verkauft
Fotos: Marcel Krummrich