„Ich bin anders, als man denkt.“
Er wurde durch die seit 2009 ausgestrahlte Doku-Soap „Die PS-Profis – Mehr Power aus dem Pott“ einem breiteren Publikum bekannt. Heute ist er Tuning-Experte, Youtube- und Fernseh-Star, Unternehmer, Moderator. Und auf neudeutsch ein Influencer. Jean Pierre „JP“ Kraemer erreicht jeden Monat mit seinen Videos knapp 30 Millionen Menschen.
TOP THÜRINGEN sprach mit dem 37-Jährigen auf der Automobilmesse Erfurt über einen Walkman-Motor, Mobilität im Wandel und Polizei-Schikane.
Herr Kraemer, wir müssen mit einer autofreien Frage beginnen. Sind Sie als Dortmunder automatisch BVB-Fan?
Absolut. Ich habe nur leider kaum Zeit, mal ins Stadion zu gehen. Trotzdem gilt für mich: Nur der BVB!
Mehr Zeit haben Sie sich dagegen schon als Kind genommen, um an irgendwelchem Spielzeug herumzuschrauben.
Ja, angefangen habe ich mit Lego und Modellbau. Dann habe ich aus meinem Walkman den Motor ausgebaut, um ihn in ein Auto meiner Carrera-Autobahn einzubauen. Das war zwar dann nicht deutlich schneller, aber es war für mich so der Punkt, wo ich erkannt habe, ich kann irgendwie nichts serienmäßig lassen. Praktisch fing das damals schon mit dem Tunen an.
Warum dann zunächst die Schreibtischlehre zum Automobilkaufmann bei Porsche?
Weil das eine wichtige Zeit für mich war, nicht wegen der Marke, sondern wegen der Mitarbeiter. Von denen habe ich wirklich viel gelernt.
Heute wollen in Sachen Auto alle von Ihnen lernen: Hersteller, Vermarkter und Ihre Millionen Follower. Was macht für Sie die Faszination Auto aus?
Die wandelt sich im Moment massiv. Die Faszination Auto war früher mehr so ein Status-Ding gewesen. Als junger Typ fand man das einfach geiler, ein cooles Auto als einen Kleinwagen zu haben.
„JP“ steckt sich ein Kaugummi in den Mund. Der Fotograf bittet ihn, das bitte zu lassen, weil das schwierig beim Fotografieren sei. “JP“ verneint und fragt ihn, wie lange er denn schon Fotograf wäre. Sieben Jahre antwortet Sandro Jödicke. „Ich mache das seit zehn Jahren, mit Kaugummi. Alles gut“, antwortet „JP“ ganz entspannt.
Wir waren beim Wandel der Faszination Auto …
Genau. Die Mobilität ist im Wandel. Es geht den Leuten heute immer mehr auch um eine effiziente Fortbewegung. Als ich jung war, ging es nur um Optik. Der Verbrauch war völlig egal. Klar war der Benzinpreis ein Thema, trotzdem wurde das Auto gekauft.
Der Wandel geht in Richtung E-Mobilität. Sind Elektroautos denn sexy?
Total. Wir als Tuningfirma sind eine der ersten, die erkannt haben, dass Tuning auch bei Elektrofahrzeugen möglich ist. Demnächst bauen wir unser erstes eigenes getuntes Elektrofahrzeug, um einfach mal ein bisschen warm zu werden mit dem Thema E-Mobilität. Ich persönlich finde das sehr gut. Meine Fans finden das aber nicht gut, dass ich das gut finde.
Weil Sie Ihnen das nicht abnehmen?
Mein Publikum ist größtenteils noch sehr jung. Viele sind noch in dem Stadium des klassischen Automobils. Das heißt, es muss laut sein und richtig Krach machen. Das kann ein Elektromotor aber unter keinen Umständen erfüllen. Deshalb finden viele das doof. Wenn du dich aber wirklich mit Elektrofahrzeugen beschäftigst, sind die Power und die Möglichkeiten der Beschleunigung bei weitem besser als bei jeden Verbrennungsmotor.
Klassisch gesehen, hat das Thema Tuning auch einen gewissen prolligen Touch.
Das ist ein ganz schwieriges Thema, nehmen Sie nur das Beispiel der Manta-Filme. Aber tief in einem Mann drin, ich würde mal knallhart die Zahl 90 Prozent in den Mund nehmen, ist die Begeisterung und das Wollen der Individualisierung des eigenen PKW`s, der mich einfach nur von A nach B bringt, schon da. Und da ist es völlig egal, welchen Job er hat. Er gibt das vielleicht nicht zu, aber wenn er nachts alleine über die Straße geht und sieht ein cool getuntes Auto, bleibt er stehen, oder zumindest dreht er seinen Kopf und schaut rüber.
Bei einer Briefmarkensammlung tut er das vermutlich nicht?
Genau. Deshalb ist Tuning polarisierend und begeisternd zugleich. Dazu kommt, dass der Mensch in Deutschland verliebt darin ist, etwas negativ zu finden, obwohl er es vielleicht ganz tief in seinem Inneren gut findet. Wenn diese Begeisterung nicht da wäre, wäre aber diese Branche nicht so groß geworden. Denn ein Auto bringt dich ja schließlich nur von A nach B und ein Tuning kostet ja auch richtig viel Geld. Trotzdem machen das die Leute und kaufen sich für 60-, 70.000 Euro ein Auto, auch wenn es das Gehalt eigentlich gar nicht hergibt. Und das ist ja Irrsinn, ein normales Auto müsste es doch genauso tun. Es ist aber in uns drin stark verankert, nicht nur automobil, sondern cool automobil zu sein!
Sie erreichen über Social Media jeden Monat zig Millionen Menschen, mehr als alle deutschen TV-Sender zusammen. Spüren Sie da auch ein Stück weit Verantwortung?
Ich sage immer das, was ich will. Natürlich ist es manchmal genau das, was die Industrie auch gerade will. Dann meinen manche, das wäre Werbung. Meine Meinung ist aber nun mal so. Da musste ich mit der Zeit erst reinwachsen und mir ein dickes Fell wachsen lassen. Wenn sich 28 Millionen Menschen im Monat meine Sachen anschauen, dann ist das verdammt viel. Da ist natürlich eine gewisse Verantwortung da, die ich aber gar nicht haben will.
Mit der TV-Serie „Die PS-Profis“ wurden Sie 2009 einem größeren Publikum bekannt. Warum haben Sie das Format jetzt verlassen?
Ich habe das acht Jahre lang gemacht, irgendwann ist es auch mal gut. Natürlich habe ich der Sendung viel zu verdanken, aber ich erreiche jetzt mit JP Performance das Achtfache an Publikum als mit den PS-Profis. Das Internet und Youtube sind in der Lage, dem Publikum viel mehr zu bieten als das Fernsehen.
Sie waren auf der Automobilmesse in Erfurt wieder der absolute Star-Gast. Coole Veranstaltung, oder?
Absolut. Ich habe gemerkt, dass noch mehr Leute da waren als letztes Jahr. Für die ganze Region ist das eine richtig gute Veranstaltung.
Sie sind mit dem Auto angereist. Drängler oder rechte Spur?
Viele erwarten, dass ich durch die Gegend heize, das tue ich aber ganz und gar nicht. Ich erwische mich selbst auf der Autobahn bei Richtgeschwindigkeit 120, dass ich 110 oder 105 auf der rechten Spur fahre. Ich bin privat gar nicht mehr der Racer. Wenn es allerdings 2 Uhr früh ist, ich alleine auf der Straße bin, dann werde ich leicht sehr schnell, weil ich die Faxen dicke habe und nach Hause will.
Mit Ihren getunten Autos landen Sie aber bestimmt auch ohne Geschwindigkeitsüberschreitungen schnell mal in einer Polizeikontrolle?
Ja. Es ist mal so und so. Ich glaube, 80 Prozent der Polizisten finden mich cool und sehen auch den Mehrwert, den ich erreiche. Ich bringe schon sehr viele Jugendliche dazu, eine Ausbildung in der Automobilbranche zu starten. Das sind Jungs, die vorher eigentlich nur ein Ziel hatten: „Ich werde cool.“ Diese Jungs hatten keine Idee vom Leben und fühlen sich bei uns aufgenommen und sagen sich dann: „Das mache ich jetzt mal!“ Dann gibt es Polizisten, die sagen: „Nein Kollege, ich fahre keinen Lamborghini und auch keinen A8.“ Das ist dann auch kein Zufall mehr, mehr wenn mich derselbe Polizist innerhalb weniger Tage mehrfach an derselben Stelle mit demselben Auto kontrolliert. Das ist Schikane.
Man kann bei 30 Autos aber auch schon mal etwas neidisch werden.
Ja, es sind 30. Leider. Der Youtube-Chanel verlangt das so ein bisschen. Bei der Größe des Publikums kann ich mich nicht nur in einem Segment bewegen. Und wenn ein Projekt fertig ist, steckt da so viel Liebe drin, dass ich es nicht mehr abgebe. Aktiv habe ich immer so acht Autos, die massiv behandelt werden. Ganz wenige gebe ich danach ab. Die mich lange begleitet haben und mit großem Aufwand bearbeitet worden, die bleiben.
Fußballer fragt man, ob sie nach dem Spiel abschalten können. Haben Sie nur Autos im Kopf?
Ich habe weltweit acht Firmen, von denen sich nur ein paar im Autosegment bewegen. Menschen verbinden mich immer nur mit Autos, ich selbst mache aber noch ganz viele andere Sachen. Das verlangt viel Zeit und ich bin durch und durch am Denken. Auch jetzt gerade.
Das klingt nicht nur nach Party?
Ich habe noch nie Alkohol getrunken, das letzte Mal war ich vor ungefähr zehn Jahren aus. Ich bin anders als man denkt!
Herr Kraemer, vielen Dank für das Gespräch.
Sehr gerne.
Mit den Fotos war „JP“ dann übrigens auch sehr zufrieden, trotz Kaugummi. „Ist cool, ich bin mit allem fein“, sagte Jean Pierre Kraemer nach der Ansicht der Bilder im Display.
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Text: Jens Hirsch
Fotos: Sandro Jödicke | whitedesk