Ein Glücksfall. Für Eisenach. Für Opel.

Es war eine emotionale wie spannende Begegnung zur 25-Jahr-Feier am 30. September im Opel Werk Eisenach: Die Gründungsväter Dr. Wolfram Liedtke, Louis R. Hughes und Harald Lieske erinnerten an die historischen Ereignisse, die aus dem AWE-Werk ein Opel-Werk gemacht haben.

Ein Glücksfall sei das für uns gewesen, dass Opel das Automobilwerk Eisenach übernommen und am 23. September 1992 das neue Werk eröffnet hat. Derjenige, der das 25 Jahre später am Tag der offenen Tür in Eisenach sagte, muss es wissen. Denn Dr. Wolfram Liedtke war in der aufregenden Wendezeit Direktor des Automobilwerkes (AWE) und kämpfte für den Erhalt der Automobilproduktion in Eisenach.

Während mehr als 8.000 Besucher am 25. Geburtstag von Opel Eisenach über das Werksgelände flanierten und bei zahlreichen Aktionen einen Einblick in die Abläufe eines der modernsten Automobilwerke der Welt bekamen, sprachen die Gründungsväter Dr. Wolfram Liedtke, Louis R. Hughes (damals Opel-Chef) und der langjährige Betriebsratsvorsitzende Harald Lieske an einem historischen Ort über die historischen Ereignisse. Die drei saßen in der Endmontagehalle nur ein paar Meter von der Stelle entfernt, an der am 5. Oktober 1990, nur zwei Tage nach der Wiedervereinigung, der erste in Eisenach montierte Opel Vectra vom Band lief. Und als damals Bundeskanzler Helmut Kohl den Startknopf drückte, fiel nicht nur Louis R. Hughes ein Stein vom Herzen. Der Anfang war gemacht und von jetzt an ging es Schlag auf Schlag. Zuvor musste er aber viel Überzeugungsarbeit bei General Motors in Detroit leisten. Er selber sei schon überzeugt gewesen, als er am 7. Januar 1990 für seinen ersten Besuch im AWE bei Eisenach über die Grenze fuhr. Er sah Deutschlandfahnen an den Häusern und ein Herzlich-Willkommen-Transparent, das die DDR-Grenzposten selbst gemalt hatten. „Das Volk wollte die Wiedervereinigung, das hat mich überzeugt und tief bewegt“. Und als der Ingenieur im Werk dann noch die „gut ausgebildete Facharbeiterschaft“ sah, wusste er, „das finden wir nicht noch einmal in Europa“.

Ein Schlüsselmoment für Wolfram Liedtke, der mit dem Mauerfall überzeugt war, „dass das AWE-Werk auf dem freien Markt nicht wettbewerbsfähig sein wird“, war der 27. Dezember 1990. An dem Tag nahm seine Frau Zuhause in Eisenach einen Anruf vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden der Adam Opel AG aus Rüsselsheim entgegen: Ob der Herr Liedtke denn nicht Interesse an Gesprächen mit Opel hätte. Natürlich hatte er und rief am nächsten Tag zurück. Opel war aber nicht der einzige Interessent für den Traditionsstandort, an dem 1899 der erste „Wartburg-Motorwagen“ gebaut wurde, später BMW-Sportwagen sowie bis 1991 der Wartburg 353. BMW, bis 1945 Eigentümer, hatte kein Interesse und verzichtete auf Rückübertragungsansprüche. Ein anderer deutscher Automobilbauer, der schon zu DDR-Zeiten mit dem AWE kooperierte, war der Favorit des IFA-Kombinates, zudem das AWE gehörte. Die Kombinatsleitung verbot Wolfram Liedtke deshalb mit Opel zu verhandeln. Der tat es trotzdem und wollte trotz Kündigungsandrohung das AWE aus dem Kombinat herauslösen. Nach langem Kampf stimmte die damalige DDR-Wirtschaftsministerin Christa Luft seinem Antrag schließlich zu. Der Weg für Opel war frei, zunächst testete man von 1990 bis 1992 in der Opel AWE PKW GmbH mit 200 Mitarbeitern eine auf japanischen Produktionsmethoden basierende schlanke Fertigung – dem heutigen Markenzeichen des Eisenacher Werkes. Am 23. September 1992 war es dann soweit, das neue Opel-Werk Eisenach wurde eröffnet und der erste Opel Astra „made in Eisenach“ lief vom Band. Harald Lieske, Betriebsrat der ersten Stunde, erinnert sich: „Louis Hughes konnte die Mitarbeiter begeistern. Wir sahen eine Zukunft für die AWE-Mitarbeiter. Deshalb wollten wir auch nicht streiken sondern haben mit bunten Hemden, was verboten war, auf unsere Anliegen aufmerksam gemacht.“ Mit Erfolg, aus der AWE heraus konnten 31 Unternehmen gegründet und somit ein Großteil der 9.500 Arbeitsplätze gesichert werden.

Heute, nach über drei Millionen in Eisenach gefertigten Opel-Fahrzeugen, bauen rund 1.800 hochqualifizierte Mitarbeiter in einem hochmodernen Werk am Fuße der Wartburg den Corsa und den ADAM. „Stellvertretend“ für sie und die damaligen Mitarbeiter nahm Wolfram Liedtke am Ende des Festaktes sichtlich gerührt die Ehrenmedaille der Stadt Eisenach „Für besondere Verdienste und persönlichen Einsatz zum Wohle der Stadt Eisenach“ entgegen. Anschließend folgte der Eintrag in das goldene Buch der Stadt.

Auf dem Abschlussbild vereinten die drei Protagonisten noch einmal ihre Hände. Nicht nur symbolisch. Sie waren damals zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle und trafen die richtigen Entscheidungen. Ein Glücksfall. Für Eisenach. Für die Menschen. Für Opel. Für die Zukunft.

Fotos: Marcel Krummrich