Die stillen und die lauten Momente

Kein Geringerer als “Howie” Howard Carpendale gab sich zum 50. „Ein Abend mit…“ im Gothaer Hotel „Der Lindenhof“ die Ehre. Seit 50 Jahren steht der gebürtige Südafrikaner auf der Bühne und hat mehr als 25 Millionen Tonträger verkauft. Hits wie „Hello Again“, „Ti Amo“ und natürlich „Who the f… is Alice, auch bekannt als „Tür an Tür mit Alice”, kennt jeder Schlager-Liebhaber zwischen 18 und 80.
Was bestimmt noch nicht jeder wusste, erzählte der 71-Jährige während eines unterhaltsamen Vier-Gang-Menüs.

Die Einladung nach Gotha

„Das war eine ungewöhnliche Einladung, über die ich mich sehr gefreut habe, denn ich rede gern. Ich hatte auch eine schöne Anreise mit viel Stau. Am Nachmittag hat mich mein Fahrer in die Stadt gefahren und fragte mich, wie ich denn zurückkommen würde. Ich fahre gerne Bus, antwortete ich ihm. Nur mit welchem wusste ich natürlich nicht. Jeder Busfahrer, den ich fragte, wollte mich mitnehmen.“

 

Das Alter

„Ich bin 71. Das sind 25.000 Tage bzw. 500.000 Stunden. Das ist nicht viel. Aber im Ernst, es wäre doch ein Armutszeugnis für mich, wenn ich nicht zufrieden auf mein bisheriges Leben zurückblicken könnte. Ich hatte eine wunderschöne Kindheit in Durban. Jeden Tag Strand, Surfen, Sport, Musik und auch Mädels. Und heute kann ich nach über 50 Jahren immer noch diesen wunderbaren Job machen.“

 

Deutschland

„Für mich bedeutet Deutschland Heimat. Mit 20 Jahren bin ich 1966 nach England gekommen und habe dort in verschiedenen Bands gespielt. Durch Zufall ging es dann drei Jahre später nach Deutschland, weil meine Arbeitserlaubnis in England abgelaufen war. Mit einer Rockgruppe kam ich zunächst nach Düsseldorf. Als Fan von den Beatles und Jimmy Hendrix fand ich die deutsche Musik zunächst ungewöhnlich und konservativ. Nach einem Konzert in Köln sprach mich ein Produzent an, ob ich mit ihm zusammenarbeiten möchte. Das war Paul Kuhn!“

 

Der erste Hit

„1969 hatte ich mit einer deutschen Coverversion des Beatles-Songs „Obladi Oblada“ meinen ersten Hit in Deutschland. Ein Jahr später gewann ich mit „Das schöne Mädchen von Seite Eins“ den ersten Platz beim Deutschen Schlager-Wettbewerb. Dass der Song ein Hit werden würde, wusste ich, als mich am Abend nach meinem ersten Auftritt in der Hitparade bei Dieter Thomas Heck auf der Heimfahrt ein Tankwart an einer Tankstelle ansprach. Er zeigte auf mich und sagte: „Carpendale!“.

 

Die erste Krise

„Ich war von heute auf morgen bekannt geworden und habe schnell viel Geld verdient, mir einen Mustang gekauft und bin durch Köln gefahren. Das ist mir aber nicht gut bekommen. Die nächsten Songs floppten und die Plattenfirma wollte mich rauschmeißen. 1974 habe ich mir dann gesagt, entweder du hörst auf, oder du machst ab sofort alles selber: Songs schreiben und produzieren. Als ich das meinem Produzenten vorschlug, sagte der nur: `Das macht nicht mal Sinatra`. Ich habe es trotzdem gemacht. Meine ersten beiden selbstkomponierten Songs „Da nahm er seine Gitarre“ und „Du fängst den Wind niemals ein“ wurden Hits.“

 

Die Hitparade

„Über die Jahre hatte sich eine Art Hassliebe zu Dieter Thomas Heck entwickelt. Ich wusste, dass die Hitparade wichtig war, um bekannt zu werden, aber sie passte einfach nicht in meine Zukunftsplanung. Das war nicht das Image, das ich wollte. Und als ich dann auch immer zu den Hitparaden-Konzerten zu spät kam, war Dieter Thomas Heck richtig sauer auf mich.“

 

Deutsch oder Englisch?

„Englische Songs müssen nur gut klingen, der Text ist nicht so wichtig. Die Deutschen dagegen hören viel mehr auf den Text. Für mich ist der Text ein wichtiger Teil der Persönlichkeit eines Künstlers, aber natürlich hatte auch ich ein paar nicht so erinnerungswürdige Texte. Momentan haben wir richtig viele gute deutsche Texte, zum Beispiel von Andreas Bourani und Xavier Naidoo. Zusammen mit Joachim Horn habe ich 700 deutsche Lieder komponiert, manchmal erkenne ich einen gar nicht mehr, wenn er im Radio läuft. Erst nach einer Weile merke ich dann, Mensch, das bin ja ich. Seit ein paar Jahren habe ich ein junges Produzententeam um mich herum, mit dem schreibe ich meine aktuellen Songs. Anfangs war ich aufgrund ihres Alters, keiner ist älter als 35, skeptisch. Aber sie tun mir und meiner Musik einfach nur gut.“

Das Abschiedskonzert am 13.12.2003

„Das war die schönste Show meines Lebens. In der Köln-Arena spielte ich aufgrund der großen Nachfrage an diesem Tag zwei Abschieds-Shows. Die stillen und die lauten Momente waren einzigartig und rührend. Als ich nach der letzten Zugabe ins Hotel gefahren bin, habe ich erfahren, dass an die 6.000 Fans in der Halle geblieben sind und weiter gesungen haben. Ich habe das auf Video und schaue mir das immer mal wieder an.“

 

Die Depression

„Ich wollte damals aufhören, weil ich dachte, ich hätte alles gegeben und eine Grenze erreicht. 2004 bin ich nach Florida gezogen und in ein tiefes Loch gefallen. Ich dachte Depression ist eine Krankheit, die bekommst du nicht. Doch ich hatte sie. Ein halbes Jahr war ich wie gelähmt und hatte Selbstmordgedanken. Ich hatte einen genauen Plan zum „Wie“ und „Wo“. Nur das „Wann“ stand noch nicht fest. Ein Therapeut riet mir, die Bühnenabstinenz an den Nagel zu hängen. Er sagte: `Wenn du nicht wieder auf die Bühne gehst, wirst du bald sterben`!“

 

Das Comeback

„Mein Sohn Wayne stand Heiligabend 2006 vor der Tür und sagte, er fährt nur mit mir zurück nach Deutschland. Das tat ich und ging in Deutschland vier Monate in eine Klinik. Auch hier sagten die Psychologen, dass ich wieder zurück auf die Bühne soll, wenn ich noch länger leben möchte. Der entscheidende Moment war aber für mich, als mich mein Produktionsteam besuchte und mir stehend applaudierte. Da ist die Tür wieder aufgegangen und ich sah meinen neuen Weg. Wenn Wayne nicht gekommen, für mich dagewesen wäre und mir geholfen hätte, ich wüsste nicht, wo ich heute wäre. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. 2007 gab ich mein Comeback und stehe seitdem wieder auf der Bühne und bringe Alben heraus. Heute weiß ich: `Jeder Mensch braucht eine Lebensaufgabe, sonst geht er zugrunde`.“

 

Der Beruf

„Ich bin nichts Besonderes, habe einen Beruf, wie jeder andere auch. Den Erfolg muss ich mir immer wieder hart erarbeiten. Ich war nie der Millionenseller, hatte nie den einen Hit, der alles sprengte. Aber ich bin einer der wenigen, der all die Jahrzehnte überlebt hat. Vielleicht auch, weil ich mich nie so ernst genommen habe und ich immer wusste, die perfekte Show gibt es nicht. Dafür habe ich umso mehr Respekt vor meinen Beruf, wie zum Beispiel auch Peter Maffay und Udo Jürgens, die auch mehr als 50 Jahre Erfolg haben bzw. hatten. Ich gehe auf die Bühne, egal was ist. Auch wenn ich kurz vorher eine schlechte Nachricht bekomme. Darum kann ich mich auch nach dem Konzert kümmern, der Besucher aber hat sich das Ticket gekauft, freut sich vielleicht seit Monaten darauf und hat ein Recht darauf, dass ich jeden Abend mein Bestes gebe. Für mich ist aber auch jeder Auftritt pures Lebenselixier. Zehn Minuten, bevor ich die Bühne betrete, ist so eine Spannung im Publikum, die ich nicht erklären kann. Ich stecke meine Nase durch den Vorhang und rieche das Publikum, das ist eine tolle Stimmung.“

 

Der Mauerfall am 9.11.1989

„Ich war in Hamburg, um am nächsten Tag im SAT1-Frühstücksfernsehen aufzutreten. Am Morgen kam mein Manager zu mir ins Zimmer und sagte: `Es gibt kein Frühstücksfernsehen, die Mauer ist gefallen.` Ich wusste natürlich, dass das ein welthistorisches Ereignis war, aber als ein paar Monate später die Apartheid in Südafrika beendet wurde, das spürte ich im Herzen, den Mauerfall habe ich im Kopf gespürt.

In der DDR durfte ich nicht auftreten, weil ich einen südafrikanischen Pass hatte. Heute findet fast die halbe Tournee in den neuen Bundesländern statt, was mich sehr freut und stolz macht.“

 

Donald Trump

„Ich lebe seit 20 Jahren auch in den USA und kann es immer noch nicht glauben, dass in diesen schwierigen Zeiten solch ein Clown wie Donald Trump amerikanischer Präsident geworden ist. Ich mache mir wirklich Sorgen, nicht um die wirtschaftliche Entwicklung in der Welt, sondern um die politische. Dieser Mann hat gesagt: `Wenn wir Atomwaffen besitzen, warum benutzen wir sie nicht`?“

 

Die Zukunft

„Im Herbst veröffentliche ich mein nächstes Album und dann gehen wir von Oktober bis März auf Tournee. Privat geht es mir so gut wie nie zuvor. Ich hoffe, das bleibt noch lange so.“

 

TOP Service:

www.howard-carpendale.de

 

Fotos: Mario Hochhaus