„Der Immobilienpreis ist ein entscheidender Punkt, aber eben nur einer.“

Der Immobilienmarkt boomt. Auch in Thüringen. Darüber hinaus bieten weiterhin niedrige Zinsen eine gute Gelegenheit, sowohl zur Altersvorsorge als auch zur Kapitalanlage in „Betongold“ zu investieren. Oder stehen wir doch aufgrund immer weiter steigender Preise kurz vor einer Immobilienblase? TOP THÜRINGEN sprach über dieses aktuelle Thema mit Hans-Georg Dorst, dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Mittelthüringen.

Herr Dorst, Sie finanzieren jedes Jahr 1.000 Kunden ihren Weg in die eigenen vier Wände. Können diese weiterhin gut schlafen oder müssen sie sich Sorgen machen – Stichwort „Boom“ oder „Blase“?

Thüringen erlebt seit einigen Jahren, wie ganz Deutschland, einen Immobilien-Boom. Die Preise steigen kontinuierlich, gerade in der Städtekette Erfurt, Weimar und Jena. Ich glaube aber nicht, dass wir diese Preissteigerungen jetzt jedes Jahr registrieren werden, schließlich sind wir auf einem Plateauniveau. Bei den Rahmenbedingungen mit einem günstigen Zinsniveau und staatlichen Subventionsprogrammen stehen derzeit noch alle Ampeln auf Grün. Eine Blase sehe ich auch deshalb in Thüringen nicht, weil sich aufgrund der Städtekette mit den sicheren Arbeitsplätzen und der stabilen demografischen Lage ein stabiles Fundament bildet. Obwohl ich mir schon Gedanken mache, wenn ich die derzeitigen hochpreisigen Immobilienangebote sehe, die in Erfurt entstehen. Wer soll 11, 12 oder 13 Euro Kaltmiete bezahlen? Entscheidend für künftige Preisentwicklungen sind das Zinsniveau, die Demografie und die Kaufkraft in der jeweiligen Region.

 

Und außerhalb der Städtekette fühlen sich viele kleinere Städte und Dörfer abgehängt.

In vielen ländlichen Regionen fehlt eine ganze Generation, weil diese nach der Wende aufgrund drohender Arbeitslosigkeit abgewandert ist. Wenn diese Menschen im Alter wiederkommen, gehen sie tendenziell wegen der besseren Infrastruktur in die Städte. Ein Teil des Wachstums der Städtekette beruht also auf dem Ausbluten der ländlichen Regionen. Trotzdem sollten wir in Thüringen lieber darüber reden, was wir in den vergangenen 30 Jahren geschafft haben, anstatt zu klagen. Natürlich gibt es noch große Abstände zu den Top-Regionen in den alten Bundesländern. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir zum Beispiel manche Regionen in den alten Bundesländern längst überholt haben. Wir verkaufen uns völlig unter Wert, unsere Wirtschaft ist breit und gut aufgestellt. Was uns fehlt, sind die Entwicklungsabteilungen und die Konzernsitze, die nur in Jena ansatzweise vorhanden sind. In Kenntnis der Demografie brauchen wir in Thüringen junge Leute, die hierbleiben oder nach dem Studium zurückkommen und hier Familien gründen. Zugleich benötigen wir aber auch qualifizierte ausländische Arbeitskräfte.

 

Wie entsteht eine Immobilienblase?

Wenn die Investoren und Geldgeber unvernünftig werden und zum Beispiel Finanzierungen möglich machen, die „auf Kante genäht“ sind. Wenn aufgrund kleinster Veränderungen in der persönlichen Situation der Kreditnehmer die Raten nicht mehr gezahlt werden können, wie es 2007 bei der Subprime-Krise in den USA passierte. In Deutschland gibt es daher sehr strenge Regularien für Kreditvergaben.

 

Niedrige Zinsen befeuern aktuell den Markt, dafür steigen aber auch die Baukosten rasant.

Ja, weil Baustandards und Auflagen, wie zum Beispiel jene bei der Energieeffizienz, immer höher werden. Richtig ist aber auch, dass Bauunternehmen gute Margen verdienen. Die Baupreise sind historisch betrachtet sehr hoch, die Zinsen für Baukredite sind historisch sehr niedrig. Manches gleicht sich aus. Deswegen muss man sich ja auch genau überlegen: „Was kann ich mir leisten?“

 

Ab wann kann ich mir denn Eigentum leisten?

Nehmen Sie die aktuelle Kaltmiete Ihrer Mietwohnung in Höhe von 300, 600 oder 900 Euro. Was bekommen Sie dafür umgerechnet in ein Darlehen? Dann kommt man relativ schnell auf eine Eigentumswohnung, ein Reihenhaus oder mehr. Für die Finanzierung gilt die Faustformel: Die Belastung aus der Immobilie sollte 30 Prozent des Nettoeinkommens nicht übersteigen. Es ist deswegen ein Teil unseres Anspruchs in der Beratung, mit den Menschen darüber zu reden, was zwingend notwendig ist. Eine Durchschnittsfamilie kann sich in der Regel nicht die Traumwohnung oder das Traumhaus in der besten Lage leisten, sie sollte deshalb in die Randgebiete mit einer guten Anbindung ausweichen. Sömmerda zum Beispiel profitiert von einer guten Grundstruktur und dem Vorteil, dass man mit ÖPNV in 20 Minuten in Erfurt ist. Wenn dann das Grundstück im Vergleich zu Erfurt nur die Hälfte kostet, die Baukosten sind dort nicht viel günstiger, ist das für manch einen eine interessante Abwägung. Dazu muss man sich fragen, ob man wirklich drei Kinderzimmer, die Luxusausstattung im Bad und ein großes Grundstück braucht. In der Regel kaufen wir einmal im Leben eine Immobilie, das ist fast immer die langwierigste und vom Betrag her die größte finanzielle Entscheidung eines privaten Kunden. Fehler sollte man deshalb vermeiden, genau dort setzt gute Beratung an.

 

Was für Fehler können das sein?

Vor allem Paare müssen sich darüber klar sein, was sie wollen. Eine junge Familie mit einem Kind muss sich überlegen: Kommt noch ein Kind dazu und wie sieht dann das Nettoeinkommen in den nächsten zwei Jahren aus? Reicht das, um die Raten zu tilgen? Die kritischste Phase beginnt dann, wenn das Haus fertig und das Geld alle, aber die Außenanlage noch nicht gemacht ist. Es gibt dann mitunter Streit: Der eine möchte endlich wieder in den Urlaub fahren, der andere möchte den Garten fertigmachen. Es braucht bei einem Immobilienkauf immer Emotionen und Ratio. Wenn ein Partner aus der Finanzierung aussteigt, ist das meistens für den anderen das K.o.-Kriterium, weil die Immobilie dann nicht mehr zu halten ist. Man bekommt zwar aktuell einen fairen Preis, aber das ist ja nicht das Ziel einer Immobilieninvestition.

Dann also doch lieber mieten?

Das ist nicht pauschal zu beantworten. Man muss in sich hineinhorchen. In welcher Lebensphase befindet man sich? Ist man angekommen, bleibt man langfristig an dem jetzigen Ort? Wenn man diese Fragen mit „Ja!“ beantwortet, dann ist das ein Fingerzeig dafür, Eigentum zu schaffen. Im Regelfall wird die erste Immobilie zur Eigennutzung gekauft. Beim Thema Altersversorgung wird eine erworbene Immobilie gern am Anfang vermietet, um sie dann im Alter selbst nutzen zu können. Es gibt aber auch Menschen, für die nach wie vor die Flexibilität einer Mietwohnung wichtiger ist. Die geben den Schlüssel nach Vertragsende ab und sind frei. Mit einer Immobilie, das steckt ja im Wort, ist man nicht mehr mobil, man legt sich fest. Für das Eigentum spricht die Sicherheit und Stabilität einer Immobilie.

 

Die richtige Immobilie zu finden, ist derzeit aber nicht so einfach. Hat deshalb die Sparkasse Mittelthüringen das Immobilienmagazin „Immotion“ produziert?

Wir als Sparkasse Mittelthüringen sind ein Dienstleister, der an ganz vielen Stellen mit dem Thema Immobilien in Berührung kommt. Unsere Kernkompetenz ist die Immobilienfinanzierung von klein bis ganz groß in Mittelthüringen, also in Erfurt und Weimar mit Speckgürtel bis nach Apolda und Sömmerda. Wir realisieren jedes Jahr ungefähr 1.000 Baufinanzierungen mit einer Durchschnittsgröße von 160.000 Euro, also nicht nur Villen. Es gibt für die Städte gute und transparente Preisspiegel. Unser Anspruch war aber, die pauschale Aussage „In Erfurt kostet eine Eigentumswohnung von … bis …“ auf ein konkretes Quartier bzw. Viertel zu beziehen. Also in Erfurt zum Beispiel für Daberstedt, Gispersleben oder die Brühlervorstadt… Für die Kreisstädte ist es etwas Neues, diese Verfügbarkeit gab es bisher gar nicht. Das ist wie eine Schwacke-Liste für neue und gebrauchte Immobilien. Wir sind damit näher am Markt dran als mit Preistabellen, die meistens mit einem Jahr Verzögerung aktualisiert werden. Das eigentliche Angebot findet man im Internet auf unserer Homepage. Dort geben Interessenten ihre Suchkriterien für eine Immobilie ein und erhalten per E-Mail in der Regel innerhalb von einer Stunde ein Kurzexposé mit Daten für das angefragte Viertel. Kostenlos! Eine ausführlichere Analyse gibt es im Anschluss von einem unserer sechs Makler.

 

Es gibt eine Vielzahl von Versicherungsangeboten rund um das Thema Bauen. Aber welche Versicherungen werden wirklich gebraucht?

Zwingend ist aus unserer Sicht eine klassische Wohngebäudeversicherung, die man auf- oder abstufen kann. Sie sollte auf jeden Fall gegen Hochwasser und Blitzschlag schützen. Darüber hinaus braucht man für die Bauphase eine vernünftige Bauherren-Rechtsschutzversicherung. Für Familien mit einem Hauptverdiener sollte man den materiellen Verlust eines Hauptverdieners im Todesfall mit einer Risiko-Lebensversicherung absichern. Im schlimmsten Fall der Fälle geht der Vater oder die Mutter verloren und dann kann das Haus nicht mehr gehalten werden. Das ist dramatisch, vor allem für die Kinder. Der monatliche Beitrag für solch eine Absicherung ist für jeden leistbar. Das sind die wesentlichen Versicherungen, die man braucht.

 

Das Thema Immobilien ist komplex. Ist also trotz vermehrter Onlineangebote die persönliche Beratung der wichtigste Baustein auf den sicheren Weg in die eigenen vier Wände?

Gerade bei langfristigen Finanzierungen gibt es einen großen Aufklärungs- und Beratungsbedarf. Es gibt sicherlich einfachere Produkte, die man auch im Internet abschließen kann. Aber es gibt so viele Fragen zu besprechen und Unsicherheiten auszuräumen, dazu sind die komplizierten Verträge nicht für jedermann lesbar. Ein Berater weiß dagegen, wovon er redet. Das ist genauso, wie wenn Sie zum Notar gehen und den Kaufvertrag unterschreiben, das wird sich in den nächsten Jahren nicht ändern. Ein Geschäft machen wollen wir alle, aber manchmal endet eine Beratung auch mit einem Nein zur Finanzierung. Wir möchten nämlich definitiv keinen Abschluss machen, mit dem wir Kunden sehenden Auges in eine Verpflichtung stürzen, die sie nicht bedienen können. Der Kaufpreis ist ein entscheidender Punkt, ja, aber eben nur einer. Deshalb ist eine kompetente Beratung auch so wichtig.

 

Herr Dorst, vielen Dank für das Gespräch.

Text: Jens Hirsch

Fotos: Mario Hochhaus