Die Mitarbeiter sind das Rückgrat unsers Werkes

Seit dem 1. September leitet der Belgier Pieter Ruts als Werkleiter die Geschicke des Eisenacher Werks. Opel Post sprach mit dem mit 33 Jahren jüngsten GM-Werkleiter Europas über die Rückkehr, neue Ideen und eine Aufbruchsstimmung.

Herr Ruts, was haben Sie gedacht, als man Ihnen den Job des Werkleiters in Eisenach angeboten hat?

Soll ich da ehrlich drauf antworten (lacht). Ich war gerade erst zehn Monate in Kaiserslautern als stellvertretender Werkleiter für die Produktion verantwortlich und hatte mich richtig eingearbeitet. Als mich am 13. Juli unser Manufacturing Director Peter Thom fragte, war mein erster Gedanke: wirklich? Ich bin vor vier Jahren aus Eisenach als Abteilungsleiter weggegangen und sollte jetzt als Werkleiter wieder kommen, das war ein toller Gedanke. Ich habe immer gesagt, dass ich irgendwann sehr gerne nach Eisenach zurückgehen würde.

 

Warum?

In der Opelwelt ist Eisenach mein Heimatwerk. Hier habe ich alles gelernt, was ich über das Autobauen weiß. Ich war zwar vorher zwei Jahre in Antwerpen, aber dadurch, dass ich hier als Rohbauleiter eingestiegen bin, habe ich sehr schnell sehr viel lernen müssen. Ich bin damals wunderbar empfangen worden, ich war ja erst 25. Hier habe ich deutsch gelernt und ich kenne die Stadt sehr gut. Da stellt sich ein Heimatgefühl ein, auch wenn ich mich in Rüsselsheim und Kaiserslautern auch wohl gefühlt habe.

 

Also mussten Sie gar nicht lange überlegen?

Am Freitagvormittag hatte ich das Angebot bekommen, am Wochenende habe ich es mit meiner Lebensgefährtin besprochen und am Montag zugesagt. Werkleiter ist natürlich eine ganz andere Aufgabe, als die Dinge, die ich bisher getan habe. Man bekommt ein völlig neues Aufgabengebiet und macht Sachen, wie dieses Interview beispielsweise, die man als stellvertretender Werkleiter nicht getan hat. Wir haben Spenden für Flüchtlinge und soziale Einrichtungen übergeben, der Ministerpräsident Thüringens war zu Gast…

 

Diese Aufgaben müssen Sie jetzt nebenbei erledigen.

Die Organisation in Eisenach ist sehr stark. Unsere Mitarbeiter kennen ihre Jobs sehr gut und wissen genau, was zu tun ist, damit die Produktion reibungslos läuft. Niemand wartet darauf, bis ihm ein Vorgesetzter sagt, schaut doch mal nach der Linie. Das Werk läuft, deswegen muss ich mich auch nicht den ganzen Tag um die Produktion kümmern. Natürlich werden wichtige Entscheidungen mit mir abgestimmt.

 

Haben Sie sich speziell auf den neuen Job vorbereitet, weil er ja doch einen anderen Anforderungskatalog und vor allem mehr Verantwortung mit sich bringt?

Ich habe am 1. September angefangen, vorher gab es keine Zeit mich extra vorzubereiten. Zufällig habe ich vorher in Rüsselsheim noch ein Medientraining absolviert. Ansonsten arbeite ich gemäß dem Prinzip: „Learning by doing“ und als Stellvertreter in Kaiserslautern habe ich bereits viel von meinem neuen Job mitbekommen und lernen können.

 

Ist das ein Vorteil oder Nachteil, wenn man als Vorgesetzter viele der Mitarbeiter persönlich kennt?

Einen Nachteil sehe ich bisher noch nicht – ganz im Gegenteil, ich kenne das Werk, die Prozesse und seine Produkte. Viele haben mir gesagt, dass es schön ist, dass ich wieder in Eisenach bin, darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut. Die, die es nicht gut finden, haben es mir auch nicht gesagt (lacht). Ich bin wirklich froh, dass ich wieder hier bin. Dieses Gefühl fühlt sich sehr gut an.

 

Sie sind der jüngste GM-Werksdirektor in Europa. Machen Sie sich Gedanken darüber, dass viele Mitarbeiter, auch in der Führungsebene, wesentlich älter sind?

Umstellen muss ich mich nicht. Ich kenne es nicht anders. Seit meinem ersten Arbeitstag in Antwerpen waren immer schon alle Mitarbeiter und Führungskräfte älter als ich. Aber natürlich ist dieser Wechsel mit 33 Jahren etwas ganz Besonderes für mich. Die Medien in Deutschland und Belgien fanden dieses Thema auch sehr spannend.

Es ist ja auch eine Art Anerkennung, Sie müssen in so jungen Jahren schon eine Menge Verantwortung übernehmen.

Auch wenn ich relativ jung an Jahren bin, treffen für mich natürlich auch, oder gerade, bestimmte Messwerte zu. Ich habe in meinen zehn Jahren bei Opel neun Jobs gemacht, das heißt, ich habe viel mehr von Opel bisher bekommen, als ich geben konnte. In dem Sinne bin ich dem Unternehmen sehr dankbar. Ich bin jünger als alle, die bisher diese Position begleiteten, deshalb habe ich vielleicht einen anderen Blick auf die Dinge und bringe neue Ideen und Ansätze mit. Das ist nicht unbedingt von Vorteil und bequem für den Einzelnen, aber ich denke, für die Weiterentwicklung einer Organisation kann es nur gut sein, eingefahrene Dinge neu zu bewerten und vielleicht anders zu gestalten.

 

Können Sie uns das an einem Beispiel erklären?

Vieles wird seit Jahren gleich gemacht, ich hinterfrage das einfach. Nur weil man es immer so gemacht hat, heißt es ja nicht, dass es anders nicht noch besser geht. Ich habe zum Beispiel im Peoplefinder gesehen, dass die Bilder aus den 90er Jahren stammen und aktualisiert werden müssen, also haben wir dieses Projekt in die Hand genommen. Für Flüchtlinge haben wir spontan zwei Container am Werkeingang aufgestellt, damit die Mitarbeiter Kleidung auf dem Weg zur Arbeit spenden können. Eine Woche später waren die Container voll. Wir bieten an produktionsfreien Tagen Trainingsprogramme für die Fachvorgesetzten bis hin zum Teamsprecher an. Das sind nur einige spontane Beispiele, wir möchten das Erscheinungsbild unseres Werkes insgesamt verbessern. Daran arbeiten wir jetzt ganz intensiv.

 

Ihr Heimatland Belgien ist derzeit in der Fußballweltrangliste die Nummer 1. Was ist Ihre Zielstellung für das Eisenacher Werk?

Genau, wir sind die Nummer 1 im Fußball, schön, dass es auch außerhalb Belgiens registriert wird. Ich möchte zunächst etwas zurückgehen in die Geschichte des Werks. Eisenach war von Anfang an das Werk mit dem neuesten Produktionssystem. Viele Menschen aus der ganzen Welt sind hierhergekommen, um sich das anzusehen und während ihres Trainings im Produktionsprozess „live“ zu erleben. Mittlerweile haben auch die anderen GM-Werke unsere Prozesse integriert. So ist uns in den letzten Jahren dieses Alleinstellungsmerkmal etwas verloren gegangen.

 

Wie wollen Sie das ändern?

Unser Alleinstellungsmerkmal ist jetzt unser ADAM in all seiner Vielfalt. Wir haben, um ihn fertigen zu können, in Eisenach Prozesse entwickelt, die bisher im Unternehmen einmalig sind – Stichwort Zweifarblackierung, Personalisierung, Logistik-Konzept. Aktuell haben wir eine Zeit der Stabilisierung der Prozesse im Werk. In zwei Jahren kommt der neue Corsa, wir haben die dritte Schicht eingeführt mit vielen neuen Mitarbeitern, die eine Inspiration sein können. Wir denken jetzt schon darüber nach, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren wichtig für Opel Eisenach ist. Der Arbeitsprozess ist schnelllebig. Man muss sich dabei auch einmal ganz bewusst rausziehen, um Neues zu entwickeln. Ich möchte wieder für Aufbruchsstimmung sorgen, den Leuten das Gefühl geben, jeder kann etwas ändern, etwas beitragen und mitgestalten. Wenn ich das vermitteln kann, ist das ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Wir haben 1800 Mitarbeiter mit sehr viel Erfahrung. Sie sind das Rückgrat unseres Werkes. Man kann das Werk nicht einfach wo anders aufstellen und 1800 gut ausgebildete neue Mitarbeiter einstellen. Das würde nicht funktionieren. Es geht darum, gemeinsam mit unserer erfahrenen Eisenacher Mannschaft unsere Prozesse weiterzuentwickeln, um im Fokus für Innovationen und Prozessentwicklung zu bleiben. Daran werden wir weiterarbeiten.

Das Wichtigste für mich ist aber die weitere Verbesserung der Arbeitssicherheit, und das geht nur, wenn die Leute auf sich und auf die anderen aufpassen. Viele denken, das müsste der Vorgesetzte machen, dem ist jedoch nicht so, wie wir alle wissen.

 

Was macht denn der Werkleiter in seiner Freizeit?

Am liebsten fahre ich mit dem Mountainbike auf dem Rennsteig. Beim Joggen wird es mir nach zehn Kilometern doch schon mal schnell langweilig.

 

Herr Ruts, vielen Dank für das Gespräch.

 

Fotos: Marcel Krummrich